Eleganz und Vergebung … it’s de-lovely

Anna Depenbuschs zweites Album "Die Mathematik der Anna Depenbusch"

Texterin, drinnen: Anna Depenbusch bei einer NDR Kulturjournal-Veranstaltung in Hannover (Photo: C. Frey)

Einen ganzen Haufen deutsche Mäd­chen und Jungs mit der Gitarre vul­go Singer/Songwriter hat die Musikin­dus­trie in den let­zten Jahren auf den Markt gewor­fen. So viele nette Lieder, auch viel Befind­lichkeit und noch mehr Herz­schmerz, alles ganz rührend und mit einiger­maßen Erfolg geseg­net.

Lei­der trägt bis­lang auch die Ham­burg­erin Anna Depen­busch diesen Titel in der Berichter­stat­tung, ver­mut­lich, weil nie­man­dem etwas Besseres ein­fällt. Sie veröf­fentlicht dieser Tage ihr zweites Album “Die Math­e­matik der Anna Depen­busch”, und man kann wirk­lich nur hof­fen, daß danach von diesem Dik­tum nichts, aber auch rein gar nichts mehr übrig­bleibt.

Anna Depen­buschs erste Plat­te erschien 2005 auf dem Label des umtriebi­gen Michy Reincke, der viele Tal­ente der Ham­burg­er Musik­szene ent­deckt und gefördert hat. “Ins Gesicht” war ein inniges Werk, auf dem Cov­er ist die Sän­gerin wie in einen Kokon eingewick­elt zu sehen. Schon auf diesem Album blitzte zwis­chen aller Intro­spek­tion men­schlich­er Gefüh­le und Schwächen Schalk und der Mut auf, über den Teller­rand der eige­nen Befind­lichkeit hin­auszuse­hen. Der Song “Heimat” von dieser Plat­te wurde für den Deutschen Musikau­toren­preis nominiert, gelobt wurde vor allen der unverkrampfte und per­sön­liche Umgang mit einem in Deutsch­land sehr schwieri­gen The­ma. Musikalisch war “Ins Gesicht” eine Grat­wan­derung zwis­chen Pop und Chan­son, manch­mal etwas indif­fer­ent, aber immenses Poten­tial ausstrahlend. Ein gutes Debut.

Die neue Plat­te mit dem Titel “Die Math­e­matik der Anna Depen­busch” ist gän­zlich ander­er Couleur. Musikalisch sind die 12 Tracks vielfältiger, die Texte haben an Trennschärfe und Akku­ratesse gewon­nen. Ob brüchig-seliger Walz­er in “Tim liebt Tina”, ein Song mit äußer­stem Mut zur Sim­pliz­ität von Reim und Geschichte – so ein­fach und durch­schla­gend ist der Reigen der Liebe wohl noch nicht ver­tont wor­den, ob Coun­try-Fid­dle in “Glück­lich in Berlin” oder gar der besof­fen East­ern-Pol­ka-Sound in “Tanz mit mir”, alles lebt und atmet den Gedanken sein­er Geschichte – offen­bar hat die Kün­st­lerin sich Gedanken gemacht, welche musikalis­che Farbe ihre Texte jew­eils am besten unter­stützen kann.

Und das ist größ­ten­teils äußerst schlüs­sig und wirk­lich neu an dieser Plat­te. Die Texte ranken sich vor­wiegend um die Geschlechter­beziehung, um Liebe, Hass und Lei­den­schaft, aber umschif­f­en die so oft gehörte Platitüde deutsch­er Lie­der­ma­cher­lyrik – wenn das nicht gelingt, wird die oft auftre­tende Banal­ität des ero­tis­chen Augen­blicks erkan­nt und iro­nisch the­ma­tisiert. Ein gutes Beispiel ist die Num­mer “Wenn du nach Hause kommst”, deren uner­wartetes Ende die Lar­moy­anz eines Ver­lassen­heits­blues auf äußerst reizvolle Weise umkehrt.

Wie soll man das einord­nen, in welche Rich­tung geht das? Kokette Lied­chen über die Liebe? Keineswegs, jedes dieser Stücke atmet den Esprit und die Ele­ganz eines Cole Porter und ist in dieser For­mgeschlossen­heit meilen­weit ent­fer­nt von den 60er-Jahre gen­der roles, die die Kün­stler, die etwa ein Frank Ramond betex­tet, mit sich herum­tra­gen müssen. Anna Depen­busch ist kein weib­lich­er Baby-Croon­er, der sich keck die Lip­pen nachzieht und mit den Augen­deck­eln klap­pert, son­dern eine mod­erne junge Frau, die es schafft, ihren Blick auf die Welt und ihre Beziehun­gen all­ge­mein machen zu kön­nen.

Schaut man sich etwa das etwas unschein­bar daherk­om­menden und bere­its erwäh­nte “Glück­lich in Berlin” an, kann man das schön nachvol­lziehen. Da Ganze kommt als mid-tem­po Coun­trysong daher, die West­ern­fid­dle rankt sich um Melodie und Worte, es stampft ein treiben­der Rhyth­mus, ein Road­song ist das. Es wird die Geschichte ein­er zurück­liegen­den Tren­nung erzählt:

Hal­lo, wie schön Dich hier zu sehen, es scheint
Dir gut zu gehen
Ich glaube, Du bist glück­lich in Berlin
Dein großer Traum, seit vie­len Jahren scheint
endlich wahr zu sein

Tja, was man so an Banal­itäten sagt, wenn man sich nach langer Zeit wieder­trifft.

Ein Teil von mir wün­scht Dir dafür viel Glück
Und ein Teil von mir wün­scht Dich hier her zurück

Blitzt da eine immer noch vorhan­dene Sehn­sucht her­vor? Anscheinend ja.

Zu groß, zu klein, zu nah, zu weit
Das eine geht, das andere bleibt
Dass ich Dich benei­de wär´ doch irgend­wie
gel­o­gen
doch es ist toll, Du hast das große Los gezo­gen

Die Schreiberin ist bere­it zu vergeben, trotz ihres vorhan­de­nen Schmerzes und der Erin­nerung an ver­gan­gene Zeit­en. Aus dem ein­fachen The­ma, verse­hen mit so alt­modis­chen Sehn­suchts­mark­ern wie “Berlin, die große Stadt”, dem “ich muss meinen Weg gehen, koste es, was es wolle” wird mit ein paar Worten die Ahnung an eine ganz andere Geschichte, ein­er Geschichte von Trauer und Verge­bung. Da kann man nur den Hut ziehen, so etwas hat es in der deutschen Unter­hal­tungsmusik schon sehr, sehr lange nicht mehr gegeben. Nicht von unge­fähr hat­te der sprach­lich eben­so flo­ret­tierende ZEIT-Kolum­nist Har­ald Marten­stein unlängst in Han­nover einen Auftritt mit Anna Depen­busch, eine Kom­bi­na­tion, die man hof­fentlich noch häu­figer sehen wird  – wie schrieb der schon erwäh­nte Cole Porter in Any­thing Goes: “It’s de-love­ly!”

[xrr rating=5/5]

“Die Math­e­matik der Anna Depen­busch”
kann man ab 14. Feb­ru­ar 2010 u. a. hier bestellen.

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  1. Leimrute | HAMBURGER FEUILLETON

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