Expat

Das Romandebüt der Übersetzerin und Bloggerin Rasha Kayat wurde im Thalia Nachtasyl präsentiert

Rasha Khayat
Der Himmel über مكة المكرّمة (Bild: Wikimedia Commons/Commons User King Eliot)

Rasha Khay­at ist eine inter­es­sante junge Frau. Aufgewach­sen zwis­chen zwei Wel­ten, mit ara­bis­chen Wurzeln in Deutsch­land lebend, über­set­zt sie Büch­er aus dem Englis­chen und dem Ara­bis­chen. Sie betreibt einen interkul­turellen Blog, mit dem leicht kapriz­iösen Titel “West-Östliche Diva”, in dem sie sich äußerst char­mant und klug mit ihrer Grat­wan­derung zwis­chen diesen bei­den Kul­turkreisen beschäftigt. Das ist gewiss, ger­ade in Zeit­en verzweifel­ter Selb­st­be­haup­tung von Kul­turen, ein wichtiger Beitrag zum Ver­ständ­nis der jew­eils anderen Seite. Für den stets nach aktuellen The­men suchen­den Buch­markt ist solch eine neue Autorin, zumal mit hoher Net­zaffinität, also ger­adezu eine Steil­vor­lage und so erscheint denn nun auch, ganz fol­gerichtig, ein “echt­es” Buch, ein Roman mit dem Titel “Weil wir längst woan­ders sind”. Nach der ersten Lesung beim ange­sagten Fringe-Fes­ti­val Ham.Lit fand nun auch die offizielle Buch­premiere in Ham­burg statt, im immer noch als stylisch gel­tenden “Nach­ta­syl”, der The­ater­bar des Thalia The­aters. Ein Ver­weis auf die angepeilte Ziel­gruppe, sicher­lich.

Das Buch schildert, angelehnt an die Vita der Autorin, die Geschichte eines Geschwis­ter­paares, das zwis­chen Deutsch­land und Sau­di-Ara­bi­en aufwächst. Die Beziehung der bei­den ist eng, den­noch entschei­det sich die Schwest­er für eine Ehe in der alten Heimat Sau­di-Ara­bi­en. Ein junger Men­sch, der aus der west­lichen All­t­agswelt in den hierzu­lande frem­den ori­en­tal­is­chen Kul­turkreis wech­selt, ist eine Geschichte, die angesichts all­ge­gen­wär­tige aktueller Ressen­ti­ments, ger­ade junge Großstädter inter­essieren muss. So ist denn die Ver­anstal­tung gut besucht, präsen­tiert wer­den Buch und Autorin vom berlin­bär­ti­gen DuMont-Jun­glek­tor Jan Valk, Endreis­siger wie die Autorin. Der nun preist dieses Buch als seinen beson­deren Erstling, das Gespräch zwis­chen bei­den ist ob der Arbeits­beziehung ver­traut und eng, und kreist vor allem um ein The­ma: Die schon in den Buchti­tel einge­bun­dene Fremd­heit und Unbe­haus­theit zwis­chen den unter­schiedlichen Lebenswel­ten.

Rasha Khayat
Rasha Khay­at: Weil wir längst woan­ders sind: Roman – Gebun­dene Aus­gabe € 19,99, DuMont Buchver­lag, auch als eBook erhältlich [ama­zon Part­ner­link]
Nun ist dieses The­ma kein Neues, ger­adezu das Zen­tralthe­ma der Mod­erne – der Topos der Fremd­heit in der eige­nen Lebenswelt find­et sich in der jün­geren Lit­er­aturgeschichte von Musil bis Adorno auf hohem Niveau erzählt und durch­leuchtet. Rasha Khay­at und ihr Lek­tor reden fol­glich über die Frag­men­tierung des Buch­es und der Welt, über das fehlende Heimat­ge­fühl des Geschwis­ter­paares und beto­nen die imma­nente Fremd­heit in Erzäh­lung und Sprache. Bei­de erschaf­fen das Bild eines unbe­hausten Lebens­ge­fühls in der mod­er­nen Gesellschaft, das man auch aus den Erzäh­lun­gen der “Expats” ken­nt, jen­er Kinder von inter­na­tion­al täti­gen Beschäftigten, die mit­samt ihren Fam­i­lien, je nach Arbeit­ge­ber­auf­trag an irgen­deinem Ort des Globus wohnen – zwar ver­traut mit dem aktuellen Aufen­thalt­sort, den­noch immer auf Zeit mit diesem Ort ver­bun­den.
In der vor­let­zten Buch­sai­son gab es einen Achtungser­folg für Brit­tani Son­nen­bergs “Heim­flug”, die Geschichte ein­er jun­gen Amerikaner­in, die in Deutsch­land und Chi­na aufgewach­sen ist und deren Suche nach der inneren Heimat dieses Lebens­ge­fühl umreißt. Dort heißt der Motor für die emp­fun­dene Fremd­heit vor allem Glob­al­isierung und ist dementsprechend fremdbes­timmt, in Rasha Khay­ats Roman ist die Moti­va­tion weitaus inner­lich­er angelegt. Bei­den gemein ist die Wan­derung zwis­chen den unter­schiedlichen kul­turellen Wel­ten, zur Ver­w­er­fung und Des­ori­en­tierung führt. Ein gutes und großes The­ma für einen aktuellen Roman also.

Bedauer­licher­weise muss man allerd­ings kon­sta­tieren: Die präsen­tierten Textab­schnitte bestäti­gen mit­nicht­en die behauptete Ambi­tion. Die all­seits beton­ten Per­spek­tivwech­sel sind offen­bar flach gehal­ten, und ger­ade in den Pas­sagen über die ara­bis­che Welt über­wiegt das kolo­ri­erende Ele­ment. Die dort immer wieder in den Text einge­wor­fe­nen und unüber­set­zten ara­bis­che Begriffe und Wen­dun­gen dienen vor allem ein­er atmo­sphärischen Markierung, sind Dekor aus ein­er frem­den Welt, stilis­tis­che Arabesken.

Stün­den all diese hüb­schen kleinen Erin­nerungs­bilder an den ara­bis­chen Onkel und seine Fam­i­lie auf der Reise nach Mek­ka in einem jour­nal­is­tis­chen Fea­ture, eine Kisch-Preis-Jury würde sich ver­mut­lich dur­chaus damit befassen wollen, man spräche von warmherziger Milieuschilderung, von einem guten “Sound”. Ähn­lich ist es auch mit den Stellen, die die Kind­heit­serin­nerun­gen beschreiben – es ist eine klein­teilige und heimelige Details aneinan­der­rei­hende Prosa, die aber nie die deskrip­tive Ebene ver­lässt. Das schafft eine erstaunliche Ver­hal­tenheit in der Erzäh­lung. Von der im Gespräch stets beton­ten Verun­sicherung und fehlen­den Veror­tung ist zumin­d­est in den Leseteilen nicht viel zu hören, die Verdich­tung erstreckt sich dort auf leicht raunende Sig­nal­sätze: “Basil, meinst du, wir fahren bald nach Hause?”

Den­noch scheint das Buch ger­ade ob seines Sujets der Lek­türe wert. Die Welt dort ist fremd und neu, die Autorin noch jung an Jahren, kann sich weit­er­en­twick­eln, und die Schilderung dieses deutsch-ara­bis­chen Kul­tursp­a­gats hil­ft sicher­lich, ger­ade den stets verun­sicherten jun­gen Deutschen ein Leben mit dem Blick auf die Welt “woan­ders” zu ermöglichen. Insofern hat Rasha Khay­at sehr viel richtiggemacht.

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