Just in Time – the Life of Cool

Paul Kuhn schenkt sich zum 85. eine feine Platte – »The L. A. Session«

Unter Palmen – Paul Kuhn in den berühmten Capitol Studios in Los Angeles (Bild:
Unter Pal­men (Bild: Frank Klein­schmidt)

Bei den Deutschen gilt ja der Ex-Bun­deskan­zler Hel­mut Schmidt als cool­ster Vertreter der Gen­er­a­tion Ü80, seine geck­en­hafte Belehrsamkeit gibt Hoff­nung, ein­er­seits für die Sil­ver­surfer der Repub­lik, die so sein wollen wie er, ander­er­seits für das junge Volk unter 80, das endlich mal gesagt bekommt, wo es langzuge­hen hat. Über Hel­mut Schmidts All­wis­senheit und Eit­elkeit kann man allerorten stre­it­en, vol­lkom­men unstrit­tig ist, dass sein Thron beträchtlich ins Wack­eln gerät, schaut und hört man einem anderen Vertreten dieser Gen­er­a­tion zu. Die Rede ist von Paul Kuhn, ger­ade 85 gewor­den, der wahrschein­lich das Gerede vom Mann am Klavier, der sein Bier braucht, genau­so wenig mehr hören kann wie Hel­mut Schmidt die Raucher­fra­gen.

Als der Kün­stler ein junger Mann war, lag die Welt in Trüm­mern und die Hoff­nung und die Musik waren aus Ameri­ka. Und Geld ver­di­enen musste der auf­strebende Jazz-Pianist, der 1953 mit beim ersten deutschen Jazz-Poll nominiert war, auch. Deswe­gen die Sache mit dem Bier, die sich in die deutsche Musik­seele anscheinend so einge­bran­nt hat. Irgend­wann war “Paulchen” dann Leit­er der SFB-Big­band und eine Fernsehnase. Eine ander­er Kol­lege der Grün­der­jahre, der große Schaus­piel­er Har­ald Juhnke, hat mit ihm Musik gemacht, als so eine Art deutsches Rat-Pack. Noch so ein cool­er Typ eben, der sein “Bar­fuß oder Lackschuh” dem Hedo­nis­mus der 80er ent­ge­gen­schmetterte. Die 80 hat er lei­der nicht geschafft, der Ele­gante, der immer Frank Sina­tra sein mochte. Paul Kuhn spielt noch immer, auch in seinem Sinne, ist zumin­d­est anzunehmen.

Irgend­wann war dann näm­lich Schluss mit Show und der Mann am Klavier war wieder da, wo er ein­mal ange­fan­gen hat, beim Jazz. In mehr oder weniger kleinen Com­bos, mit seinem Schlagzeuger­fre­und Willy Ket­zer, der ger­ade erst geboren war, als Paul Kuhn seine ersten Jazz-Ausze­ich­nun­gen bekam. Viele andere jammten mit ihm, auf ein­er sein­er Plat­ten nen­nt er seine Musik­er nur “the Best”. Was wohl ziem­lich beze­ich­nend ist für die entspan­nte Hal­tung, die der Mann ver­strömt, so ein­er hat eben keine Konkur­renz.

Und immer wieder spielt er im klas­sis­chen Jaz­ztrio – Piano, Bass, Drums. Mit den mod­er­nen Trios à la EST oder Brad Mehldau hat das alles nichts zu tun, inzwis­chen ist tra­di­tionell, was ein­mal Avant­garde war, der Lauf der Zeit eben. Das ficht keinen an, denn eines ist bei Paul Kuhn stets sich­er: Es swingt. Und zwar in jen­em unbe­d­ingten Willen, die Dialek­tik zwis­chen rhyth­mis­ch­er Unschärfe und exak­tem Spiel zum Exzess zu treiben. Dieser “Bounce” springt jed­erzeit aus jed­er Note, ist von glitzern­der Ele­ganz und ist in sein­er entspan­nten Zurück­gelehn­theit das echte “Cool”.

Auf der aktuellen Plat­te – man muss in diesem Fall Plat­te sagen, nicht Com­pact Disc – ist das nicht anders. Einge­spielt in den leg­endären Capi­tol-Stu­dios, mit zwei ziem­lich amerikanisch klin­gen­den Part­nern aus der Diana Krall Band, Jeff Hamil­ton (d) und John Clay­ton (b). Die sind genau­so abgek­lärt wie er und man weiß gar nicht so genau, wer den musikalis­chen lebensspenden­den Dri­ve da eigentlich nach vorne treibt, Bass, Schlagzeug oder die fed­ern­den Fin­ger am Klavier. Hamil­ton ist im Übri­gen ein ziem­lich fil­igraner Schlagzeuger, gut zu hören in den fast melodis­chen Phrasen in “Griff”, ein­er Hom­mage an den Tenor­sax­o­phon­is­ten John­ny Grif­fin, der 2005 gestor­ben ist. Das kommt Kuhn extrem ent­ge­gen, John Clay­ton ist dazu der fed­er­le­ichte Bass-Spiel­er, den es braucht, seine Soli sind eben­so eben­bür­tige Dialog­stellen. Fast möchte man das alte Zitat über das Stre­ichquar­tett wieder aus der Kiste kra­men, ein “Gespräch zwis­chen intel­li­gen­ten Leuten”.

“Just in Time” von Jule Styne aus dem Jahr 1960 ist so ein Stück, wo einem die Dialogfet­zen zwis­chen den Dreien nur so um die Ohren fliegen. Der Titel ist fast ein Mot­to. “No more doubt or fear I’ve found my way” heißt es da im Text – das kann man eigentlich gän­zlich unkom­men­tiert so ste­hen lassen. Die Plat­te endet mit “As Time Goes By”, ein erk­lärtes Lieblingsstück des Sängers Paul Kuhn. Da wird die immer noch starke Stimme schon ein biss­chen brüchig und selt­sam klar, und alle Sen­ti­men­tal­ität des 1000fach abgenudel­ten Klas­sik­ers ist da am richti­gen Platz.

So kann man das fort­führen oder  ein­fach zuhören beim fil­igra­nen Triospiel. Ein schönes Geburt­stags­geschenk hat er sich da gemacht, der Paul Kuhn. Con­grat­u­la­tions, Mr. Cool!

Paul Kuhn: The L.A. Ses­sion
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