Gastbeitrag: “Hanseatismus ablegen!” Auf Kampnagel disputiert man die neue Kulturpolitik

Die Kulturdebatte in Hamburg geht weiter. Hamburger Feuilleton-Gastautor Anselm Lenz, Jahrgang 1980 und Dramaturg in Hamburg, berichtet für uns von der Podiumsdiskussion zu Thema gestern Abend auf Kampnagel und hat auch eine Meinung dazu.

Das Alton­aer Muse­um soll liq­ui­diert wer­den, das Schaus­piel­haus ins Nir­vana ges­part, einige  Bücher­hallen schließen. Die Lage ist soweit bekan­nt. Der zuständi­ge Kul­turse­n­a­tor Stuth ist nach Verkündi­gung der Sparpläne des Ham­burg­er Sen­ats und ein paar schwachen Aus­sagen dazu in den Urlaub abgereist.

Am Abend lud sich das Kul­tur­fo­rum auf Kamp­nagel eine gar nicht so unin­ter­es­sante Auswahl aufs Podi­um. Tork­ild Hin­rich­sen, Leit­er des bedro­ht­en Alton­aer Muse­ums, brachte die neue Dok­trin des schwarz-grü­nen Sen­ats auf eine Formel: “Die Kürzungspläne zer­stören, was keine Ham­burg-Mar­ket­ing-AG und keine Kul­tur­taxe jemals wieder auf­fan­gen kön­nten.” Während “in Berlin das Schillerthe­ater wieder aufge­baut wird und man dort niemals auf den kul­turellen Glanz verzicht­en wird, macht man in Ham­burg diesen Wahnsinn”, erk­lärte Jür­gen Flimm, derzeit Inten­dant der Berlin­er Staat­sop­er, früher an allen drei Staat­sthe­atern Ham­burgs. Flimm attestierte  dem aktuellen Sen­at einen “völ­lig fehlgeleit­eten Begriff von Kul­tur”. Amélie Deu­fl­hardt, Inten­dan­tin auf Kamp­nagel, sprach die “Ken­nt­nis­losigkeit des Kul­turse­n­a­tors” an, der sich mit der Aus­sage her­vor­tat, man könne am Schaus­piel­haus ja die “Gast-Regis­seure eins­paren”. Unter anderem mit diesem Faux­pas offen­barte Rein­hard Stuth, daß er vom Kul­turbe­trieb Staat­sthe­ater nicht allzu­viel wis­sen kann und sich auch nicht die Mühe gemacht hat, sich gut berat­en zu lassen.

Ulrich Grein­er (DIE ZEIT) sprach von ein­er Ver­schiebung des Kul­turbe­griffs “hin zur Attrak­tion” und Flo­ri­an Vogel vom Schaus­piel­haus von der “Zer­störung der Infra­struk­tur”.

“Und von der SPD hört man gar nichts!”, bellte Flimm Olaf Scholz an, der im Pub­likum saß und darauf auch nur erwidern wollte, daß gemachte Ver­sprechun­gen einzuhal­ten seien.

“Das Schweigen der Grü­nen!” schallte es aus dem Pub­likum. Das galt dem Koali­tion­spart­ner der CDU, von dem sich das Pub­likum in der über­vollen Kamp­nagel-Halle wohl auch mehr kul­turelle Gewis­senhaftigkeit erhofft hat­te.

Wil­fried Maier von den Grü­nen in Ham­burg ver­suchte für den Stand­punkt des Sen­ates zu wer­ben und tat dies auch mit Verve: So muß durch die vom Bund verord­nete Schulden­bremse in Ham­burg eine niemals dagewe­sene Einsparung aus dem laufend­en Betrieb vorgenom­men wer­den in Höhe von 500 Mil­lio­nen Euro im näch­sten und weit­eren 500 Mil­lio­nen im darauf­fol­gen­den Jahr. Die stel­lvertre­tende GAL-Frak­tionsvor­sitzende schlug aus dem Pub­likum her­aus einen “mod­erierten Prozeß” vor, wurde dafür vom bürg­er­lichen Pub­likum aus­gep­fif­f­en und von Flimm abgekanzelt: “Siehe Stuttgart 21, das heißt gar nichts mehr!”

So weit, so unver­söhn­lich. Solcher­lei Ver­anstal­tun­gen wird es noch so einige geben in den kom­menden Wochen und Monat­en. Doch dieser war vielver­sprechend gut besucht und ja auch recht hochkarätig beset­zt, das The­ma wird in der Stadt nicht totzukriegen sein. Im März wird über den Haushalt in der Bürg­er­schaft abges­timmt.

Flimm riet noch rasch den Ham­burg­ern, “den Hanseatismus abzule­gen und auf die Bar­rikaden zu gehen”. Und weil er damit recht hat, muß ein bre­ites Bünd­nis her, das dieses Feld bear­beit­et. Und zwar nicht nur mit Flimm und den anderen alten Damen und Her­ren, son­dern auch mit jenen, die noch in  10, 20 und 40 Jahren in Ham­burg leben, arbeit­en und schaf­fen wollen.


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