Kunst-Stücke: Vor allem ungebunden

Rückblick auf die erste »Producers artfair«: P/ART 13

Katja Aufleger, Installation "sum of its parts" (Ton auf Vinyl, 12 Zoll, 2 x 20 Minuten, 2012)

Große Werkhalle, frische Luft, Kun­st und Objek­te. Lock­er gehängt, gek­lebt, platziert, ver­schraubt an Baugerüsten, dem nack­ten Boden, der hohen Hal­len­decke, dazu häm­mernde House­beats – und drumherum eine ganze Menge Pub­likum: So präsen­tierte sich eine neue Kun­stmesse an ihrem Vernissage­abend.

Kunst­werk­er, Per­for­man­ce­pro­duzen­ten und Ausstel­lungs­mach­er mis­cht­en sich unters Betra­chter­volk, man flanierte so durch die Pla­nen­welt, mit denen die Baugerüste behängt waren, um zumin­d­est eine kleine räum­liche Tren­nung in der rund 2000 Quadrat­meter großen Halle zu erzie­len. Erste Gespräche über die Werke und mit den Kün­stlern, luftiger Mei­n­ungs­diskurs auf Augen­höhe, Fotos machen mit Getränk in der Hand — das alles ergab eine erfrischende Atmo­sphäre ohne zu intellek­tuelle Schwere.

Vor allem unge­bun­den soll­ten die Kün­stler sein: Das alte Indus­triegelände in Ottensen, auf dem einst Kol­ben gefer­tigt wur­den, war Schau­platz der ambi­tion­ierten Pro­duzen­ten­messe. Die “Pro­duc­ers art­fair”, kurz “P/ART 13”, wollte Kun­st und Betra­chter direkt zusam­men­brin­gen, ohne Zwis­chen­schal­tung von Galerie, Ver­mit­tler, Auk­tion­shaus oder Man­ag­er im weitesten Sinne.

Nicht neu, die Idee, aber doch wieder erfrischend. Mit neuen Aspek­ten. Und engagierten Kün­stlern, die ihre Vision selb­st mit Lei­den­schaft zeigten: Sie bes­timmten ihre Preise selb­st und kon­nten direkt mit Besuch­ern ins Gespräch kom­men. Auch Werke unter 1000 Euro soll­ten ange­boten wer­den, so die Maß­gabe der Mes­sev­er­anstal­ter. Doch auch diese Messe kam nicht ganz ohne inter­na­tionales Flair aus: Mit von der Par­tie waren nation­al, von Nord nach Süd gestreute Maler, Bild­hauer, Fotografen, aber auch Per­for­mance-Kün­stler mit Lokalkolorit. Zudem Kun­st aus Kopen­hagen und Kap­stadt.

Für die Auswahl hat­ten die acht Organ­isatoren eine siebenköp­fige Jury zusam­mengestellt, darunter die Fotografin Esther Haase, Belin­da Grace Gard­ner, freie Kura­torin und Kun­stkri­tik­erin und den Architek­ten und Kun­st­samm­ler Tilmann Kriesel. Diese hat­ten die mehr als 400 Bewer­bun­gen gesichtet und schon eine ganze Menge an Kun­st mit Poten­tial für die erste PART-Messe aus­gewählt.

Den jun­gen Ausstel­lungs­mach­ern war die unmit­tel­bare Berührung von Kun­stschaf­fend­en und Betra­chtern wichtig. Die Schau sollte dann auch in einem anderen Rah­men gezeigt wer­den, als es gemein­hin üblich ist. Deshalb die ehe­ma­lige Pro­duk­tion­shalle, die eine rustikale, arbeit­same Werk­stat­tat­mo­sphäre her­vor­rief.

Und deshalb die Baugerüste mit über­zo­ge­nen, halb­durch­sichti­gen Pla­nen statt nor­maler — weißer — Tren­nwände. Das Gelände wird schließlich seit über ein­hun­dert Jahren gewerblich genutzt — so wur­den die zumeist aus 2013 stam­menden Werke noch von rau­mim­ma­nen­ter Indus­triepati­na über­zo­gen. In dieser Arbeit­sluft posi­tion­ierten sich die Kün­stler in ihren von leichter Gaze umwobe­nen Gerüstko­jen und sprachen über ihre Werke. Mit Kun­st­be­tra­chtern eben­so wie mit Kojen-Nach­barn.

Und die Besuch­er soll­ten sich “frei zwis­chen Orten der Aktion und Orten der Ruhe” bewe­gen kön­nen. So gut die Idee, so schw­er umset­zbar in ihrer Gänze. Denn auf­grund des Hal­len­charak­ters poten­zierte sich mitunter ein laut­starkes Gemisch aus Unter­hal­tung, hör­baren Instal­la­tio­nen und Music-Acts. Zudem drän­gelte man sich in eini­gen Kun­stko­jen beson­ders, andere Objek­te waren gar so ver­steckt zwis­chen Plane und Hal­len­wand, dass sie eher beiläu­fig ent­deckt oder schlicht über­laufen wur­den.

Beschauen, befra­gen und aushan­deln kon­nten die Kun­stmesse-Besuch­er vom 19. bis 22. Sep­tem­ber bei ins­ge­samt 71 Kün­stlern. Am Vernissage­abend gab es gle­ich zwei Per­for­mances zu sehen, eine eher sel­ten gewor­dene Diszi­plin in Ham­burg: Eine Gemein­schaft­sar­beit von Stephan Jäschke und Jivan Fren­ster sowie eine getanzte Dar­bi­etung von Anik Lazar.

Lazar platzierte ihre Tanz-Per­for­mance in der eige­nen Instal­la­tion namens “Poledance”. Cindy, Mandy, Sascha und Jen­ny hießen die sta­tis­chen Tänz­erin­nen, aus etwas über zwei Meter hoch übere­inan­der gestapel­ten Rad­kap­pen beste­hend. Laut häm­mernde Beats begleit­eten Lazars laszive Bewe­gun­gen an der Poledances­tange, um sie herum die stum­men Sta­tistin­nen.

Ein­dringlich, laut, schnell. “Ich möchte Posi­tion beziehen. Mit ein­er Mis­chung aus Pathos und Humor, ohne dabei iro­nisch zu wer­den”, so die junge Ham­burg­er Kün­st­lerin, die unter anderem an der HfBK am Lerchen­feld bei Nor­bert Schwon­tkows­ki und Anselm Reyle studiert hat.

Ungle­ich ruhiger dage­gen die malerisch angelegten Bilder des in Berlin leben­den nor­wegis­chen Fotokün­stlers Hege Dons Sam­set, wie etwa “Clean­er hoover­ing the beach” (aus der Serie “Work­ers”, 2001–2009, 80 x 120 cm. RA 4 C print, hand­made, 2006).

Schon der Titel ist ein Para­dox­on: Die Per­son staub­saugt im Moment gar nicht. Der Betra­chter ste­ht gle­ich­sam hin­ter der Frau, die mit blauer Jog­ging­hose und Turn­schuhen bek­lei­det, den Staub­sauger in der Linken, am Strand ste­ht und den Hor­i­zont ent­langsieht.

Das Stromk­a­bel ver­liert sich im Sand. Im Hin­ter­grund zeich­net sich trübe eine helle Hochhaussied­lung ab, davor eine Wasser­rutsche oder etwas Ähn­lich­es aus dem Vergnü­gungspark­seg­ment. Sin­niert sie über den Aufwand, der vor ihr liegt? Ist sie allein gelassen wor­den? Oder beobachtet sie etwas?

Sam­set will Geschicht­en erzählen, dabei drehen sich seine Arbeit­en um die “Beziehung zwis­chen Men­sch und Natur, und wie man mit den Umstän­den, die das Leben einem gibt, leben und umge­hen kann”. Dazu gehören auch die Prob­leme als Out­sider.

Die Bild­hauerin Kat­ja Aufleger hat in ihrer Instal­la­tion “sum of its parts” (Ton auf Vinyl, 12 Zoll, 2 x 20 Minuten, 2012) die Erdober­fläche auf ein­er Schallplat­te hör­bar wer­den lassen. Dabei wer­den die Höhen­meter der Erde “in Ton­höhen trans­feriert: Für jeden Meter über dem Meer­esspiegel 1 Hertz. Der Stan­dard-Kam­mer­ton a1 hat eine Fre­quenz von 440 Hertz; ein 440 Meter hoher Berg gibt dem­nach genau dieses a wieder, ein Berg mit 880 Metern klingt eine Oktave höher. Der Mount Ever­est ist mit 8.848 Hertz der höch­ste Ton auf der Schallplat­te, der Meer­esspiegel gibt mit sein­er Null­höhe die Pausen vor.”

Diese Topografie klingt eher wie ein pulsieren­der, unregelmäßiger Herz­schlag, man muss sich “rein­hören”, ger­ade wenn man sich mit den Höhen­begeben­heit­en nicht gut ausken­nt. Trotz­dem ein inter­es­santes Pro­jekt, allerd­ings schlecht platziert neben dem Ham­burg­er Graf­fi­ti-Kitsch-Ver­satzkün­stler Elmar Lause. Dieser lenkt mit den rol­len­den Augen seines dunkel-grim­mi­gen Werks “Knorg” (Acryl und Mis­chtech­nik auf Lein­wand, 120 x 140 cm, 2013) allzu sehr ab von der sach­lich-tech­nisch aus­ge­feil­ten Aufleger-Arbeit.

In ein­er anderen Koje, auf Europalet­ten wack­e­lig geset­zt, das karg-kantige “Bat­tle­field” (Holz, Beton, Stahl , 30 x 30 cm, 2013) des syrischen Bild­hauers Man­af Hal­bouni. Die Betra­chter kön­nen außen herumge­hen, sich hinknien, es von Nahem in Augen­schein nehmen. Das Schachspiel bezieht ganz deut­lich Stel­lung:

“Bei der Arbeit ging es mir darum, eine neu­trale Aus­sage zum Bürg­erkrieg in meinem Heimat­land Syrien zum Aus­druck zu brin­gen, da der Krieg inzwis­chen kom­plizierte Dimen­sio­nen erre­icht hat”, so der 1984 in Damaskus geborene Kün­stler.

“Durch die Ver­set­zung der Spielfelder in Höhe und Tiefe habe ich für die Spielfig­uren Schützen­gräben erschaf­fen, die zu Vertei­di­gung und Angriff dienen. Das ver­wen­dete Mate­r­i­al Beton ver­stärkt die brachiale Optik des Schlacht­feldes.”

An den weit­eren Tagen gab es zudem Führun­gen, Kün­st­lerge­spräche, Live-Kun­st-Acts, Podi­ums­diskus­sio­nen und Musik. Kun­st­genuss kommt dabei also kaum mehr ohne Drumherum aus.

Trotz­dem, die Mis­chung macht’s: So leb­haft und erfrischend unelitär hat sich lange keine Kun­stmesse mehr in Ham­burg vorgestellt. Eventcharak­ter hin oder her, ein Kun­st-Feld ist auch ein weites, und das will bespielt wer­den.

Jet­zt nur nicht aufgeben: Die Mach­er müssen noch Durch­hal­tev­er­mö­gen und Pla­nungs­geist beweisen, ger­ade auch weil die Kün­stler viel Feed­back beka­men und das eine oder andere Werk verkaufen kon­nten.

Post­scrip­tum: Vielle­icht war ja auch etwas für den immer noch nicht ent­tarn­ten “Kun­st­beu­tel” dabei? Dieser ist derzeit in Sachen Kun­st­förderung seit­ens der Kul­turbe­hörde beordert, Kün­stler in Ham­burg zu fördern! Und es tum­melten sich einige Ham­burg­er Kün­stler.

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