Wir sind raus aufs Land…

Hanse Song Festival 2013 in Stade

Wenn ein oder zwei beisam­men stehn … (Bild: Heckmann/HHF)

Eigentlich sollte es ja schon langsam Früh­ling wer­den, doch mit­ten im März meldete sich der Win­ter noch ein­mal gewaltig zurück und ließ weiße Flock­en vom nord­deutschen Him­mel herun­ter­rieseln. Einem kleinen Städtchen wie Stade ste­ht diese weiße Pracht aber sehr gut zu Gesicht, sie und lässt die pit­toreske Alt­stadt zu einem kleinen Win­ter­traum wer­den. “Warum sollte ich nun auf die Idee kom­men an einem Sam­stagabend nach Stade zu fahren, da ist doch nichts los”, wird sich der ver­wöh­nte Ham­burg­er fra­gen.

Ja, in Stade wer­den die Bürg­er­steige schon um 18 Uhr hochgeklappt aber dann, wenn es langsam dunkel wird, ent­fal­tet sich erst der wahre Charme dieses kleinen Städtchens. In den ver­winkel­ten Gassen ver­steck­en sich in alten Gemäuern wun­der­schöne Spielorte für Konz­erte und sie sind alle nur einen kurzen Fußweg voneinan­der ent­fer­nt. Der eher gestresste Großstädter, der sich ger­ade noch durch Men­schen­massen am Ham­burg­er Haupt­bahn­hof gekämpft hat, steigt nach 45 Minuten Fahrt durch die ver­schneite Land­schaft aus dem Zug und befind­et sich mit­ten in diesem weißen Idyll. Und wenn es noch nicht auf der Fahrt geschehen ist, so schal­tet er spätestens da schon einen Gang runter.

Und all das – na ja, bis auf die Sache mit dem Schnee – scheinen auch die Damen und Her­ren vom Tapete-Label zu wis­sen und zu ihrem Vorteil zu nutzen, denn sie riefen bere­its zum zweit­en Mal zum Hanse Song Fes­ti­val in Stade. Dabei tru­gen sie auch dieses Mal wieder ein kleines, aber feines Line­Up mit ein­er Mis­chung aus nationalen und inter­na­tionalen, bere­its bekan­nten und noch nicht so bekan­nten Bands und Solokün­stlern zusam­men. Und dabei bedi­en­ten sie sich nicht nur aus dem eige­nen “Tapete-Reper­toire”.

Die unaufgeregte Stim­mung an einem Sam­stagabend in ein­er Kle­in­stadt strahlte sich auch auf die Musik­er aus. Das Berlin­er Duo Jack Beau­re­gard durfte in der St. Wil­ha­di Kirche auf­spie­len und wirk­te dabei gut gelaunt wie zwei frech-ver­schmitzte Schuljungs. Mit Aus­sagen wie “Ihr seid ein schönes Pub­likum, Stade, schön­er als in Berlin”, kon­nten sie ihr Pub­likum schnell um den Fin­ger wick­eln. Anders als auf den Stu­dioauf­nah­men, bei denen sie gerne elek­tro­n­is­che Beats unter­legen, spiel­ten sie die Songs in ruhigeren Ver­sio­nen, passend zum Ambi­ente.

Doch lock­erten Pär Lam­mers und Daniel Schaub die allzu andächtige Stim­mung, schließlich saß man ja als Zuschauer auch auf Kirchen­bänken, in den Lied­pausen immer wieder durch ihre Kom­mentare auf, was einen selb­st die kleinen Text- und Ton-Unsicher­heit­en vergessen ließ. Doch zum Ende des kurzweili­gen Sets ver­ließ die Hälfte des Pub­likums auf ein­mal das Schiff. Denn auf der Bühne des König­mar­ckssaals sollte schon bald Kristofer Aström losle­gen.

Dem Schwe­den schien es auch nicht geheuer zu sein, warum ihm nun aus­gerech­net in Stade so viele Men­schen zuhören wollen. In dem mit opu­len­ten Kro­n­leuchtern behangenen Saal wirk­te der immer etwas schüchterne, zier­liche Singer/Songwriter Aström optisch ein wenig ver­loren, aber akustisch beein­druck­end. Und er bewies, dass er nun mal am besten ist, wenn er seine Lieder in dieser reduzierten Form, mit nur ein oder zwei Gitar­ren unter­malt vor­tra­gen kann. Als wun­der­bare Unter­stützung erweist sich sein musikalis­ch­er Kom­pagnon Flam­man, der ihn bei eini­gen Stück­en begleit­ete. Aber, auch bei ihm strömten auf ein­mal zahlre­iche Men­schen aus dem Saal, weil es sie weit­er zu Tim Neuhaus oder Pohlmann zieht. Eine eigentlich unschöne, aber wohl unver­mei­dliche Neben­wirkung bei dieser Art von Fes­ti­val, bei dem sich die Pro­gramm­punk­te über­schnei­den.

Es müsste aber the­o­retisch jed­er Zeit gefun­den haben, um ein­mal bei Kolkhorst vor­beizuschauen. Sein auf drei Stun­den angelegtes Set war ursprünglich im his­torischen alten Holzkran vorge­se­hen. Doch auf­grund der kühlen Tem­per­a­turen und der schlecht­en Isolierung des his­torischen Gebäudes musste er kurzfristig in die kleine Wein­bar gegenüber umziehen. “Schöne Mütze, schöne Brille, kommt rein!” wurde man fre­undlich von ihm begrüßt.

In der engen kusche­li­gen Bar mit ca. 15 anderen Besuch­ern kon­nte man ihm jedoch nur auf eine Bier­länge zuhören, bevor man sich wieder durch die glat­ten, ver­schneit­en Straßen zur Sem­i­nar­turn­halle auf­machen musste, um noch gute Plätze für “Die Höch­ste Eisen­bahn” sich­er zu haben. “Wir hat­ten nie gedacht, dass eine Turn­halle ein Ort der Freude sein kann!“ lautete Francesco Wilk­ings passender Kom­men­tar zum Spielort.

Der Raum füllte sich zuse­hends und die Band musste gegen eine murmel­nde Menge anspie­len, was sie auch tapfer tat­en. Unter den aufmerk­samen Zuhör­ern dürften sie den einen oder anderen neuen Fan hinzuge­won­nen haben. “Komm doch mit, in die Stadt … wenn du jet­zt noch magst”, singt Moritz Krämer in “Raus aufs Land”. Das mag man eigentlich noch nicht, aber um die let­zte Eisen­bahn in die große Hans­es­tadt zu erwis­chen, musste man sich bere­its kurz nach Ende dieses Konz­erts schon auf den Weg machen.

Auf dem Weg zum Stad­er Bahn­hof kon­nte man noch die durch­drin­gende Stimme von Cäthe durch die Kirchen­mauern der Wil­ha­di-Kirche hören, doch es bleibt keine Zeit mehr, um dort noch ein­mal reinzuschauen. Die let­zten Ein­drücke und Töne dieses Konz­ertabends hall­ten noch nach, bis einen spätestens am Har­burg­er Bahn­hof wieder das typ­is­che wuselige S‑Bahn Flair eines Sam­stagabend in der Großs­tadt wieder ein­f­ing.

Im näch­sten Jahr blühen bes­timmt schon die Blu­men.

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