Die wollen nur spielen

Nicht ist, wie es scheint – nicht einmal zwischen Männern und Frauen. Mit »Venus im Pelz« legt Regisseur Roman Polanski ein faszinierendes Vexierspiel vor

Frauen sind das Größte: Emanuelle Seign­er als »Van­da« (Bild: PROKINO)

Was ist Wirk­lichkeit? Was ist Phan­tasie? Was ist Insze­nierung? Es gibt diese Bilder, die auf ganz ein­fache Weise zeigen, wie vielschichtig, wie brüchig das ist, was wir wahrnehmen: Ein Zim­mer mit einem Bild an der Wand, das genau das­selbe Zim­mer zeigt, in dem ein Bild an der Wand hängt. So lange wieder­holt, bis nichts mehr auf dem Bild im Bild zu erken­nen ist. Ein unheim­lich­er Spi­ral-Effekt.

Bei “Venus im Pelz” funk­tion­iert das so: Regis­seur Roman Polan­s­ki set­zt das erfol­gre­iche The­ater­stück des Autors David Ives fürs Kino um, das wiederum auf ein­er Nov­el­le des Öster­re­ich­ers Leopold von Sach­er-Masoch beruht. Ver­standen? Nochmal zum Mitschreiben: In dem The­ater­stück (und fol­glich auch im Film) geht es um einen Regis­seur, der eine Schaus­pielerin für eine Rolle zu beset­zen hat.

Van­da, die sex­uelle Muse eines großbürg­er­lichen Müßig­gängers, Fix­punkt sein­er Phan­tasien. Die let­zte Schaus­pielerin, zufäl­lig heißt sie mit Vor­na­men eben­falls Van­da, kommt Stun­den zu spät zum Vor­sprechen. Der Regis­seur ist gen­ervt und will sie gle­ich wieder hin­auswer­fen, sie bleibt hart­näck­ig und beste­ht auf ihrer Chance. Die bekommt sie – Start für ein Katz- und Maus-Spiel, ein Kräftemessen, eine ero­tis­che Komödie und einen quälen­den See­len-Striptease.

Zwar wird der Ursprung­s­text auch als “Bibel der Unter­w­er­fungswilli­gen” beze­ich­net, als Blau­pause für sex­uelle Prak­tiken rund um Dom­i­nanz. Aber eigentlich han­delt er nicht von Sex, wenig­stens nicht nur, son­dern von Macht und Ohn­macht, Kon­trolle und Hingabe in den Beziehun­gen zwis­chen Män­nern und Frauen.

Ganz pri­vat, aber auch in gesellschaftlichen Zusam­men­hän­gen. Die schenkel­ho­hen Stiefel, der Lack und das Led­er sind immer auch Meta­phern – das war im 19. Jahrhun­dert nicht anders als heute. Und Selb­stin­sze­nierung gehört heute mehr denn je zum Spiel der Geschlechter, in Zeit­en von online-Dat­ing und Pro­fil-Tun­ing in sozialen Net­zw­erken.

Natür­lich han­delt auch das ursprüngliche Zwei-Per­so­n­en-Stück des Off-Broad­way-Autors David Ives nicht davon, ob die bei­den sich am Ende kriegen. Son­dern wie sie sich bekriegen. Von Spielarten der Macht und der Macht des Spiels, in dem sich schon bald die Kon­turen der Fig­uren – Regis­seur und Schaus­pielerin – und die Kon­turen der Rollen auflösen.

In dem nicht mehr klar ist, wer da spricht, Peitschen schwingt, sich unberührbar auf dem Sofa räkelt: Die Büh­nen­per­son? Die Film­rolle? Die pri­vate Schaus­pielerin? Ein Vex­ier­spiel, in dem man sich bis zu Schluss fragt, wer die wahre Van­da ist: Die küh­le, kul­tivierte, bedrohliche Per­son auf der Bühne – oder die vul­gäre, unge­bildete Schaus­pielerin mit ihrem RTL II-Jar­gon (“voll Bombe, ey!”), die abfäl­lig über den “Sado-Maso-Porno“ spricht, weil sie den Namen Sach­er-Masoch noch nie gehört hat.

Und als wäre das nicht schon raf­finierte Ver­wirrung genug, ist da auch noch der Bezug zum Leben Polan­skis, in dem es bekan­ntlich mehr an Gewalt und an Sex gegeben hat als in jedem durch­schnit­tlichen Hol­ly­wood-Block­buster. In dem ein­fache Rol­len­zuschrei­bun­gen wie Opfer und Täter nicht recht greifen. Polan­s­ki, der Junge aus dem Ghet­to, der tragis­che Witwer, der Kinder­schän­der.

Wenn Van­da (Emanuelle Seign­er) aus dem Regis­seur Thomas (Math­ieu Amal­ric) her­auskitzeln möchte, wie viel Masochis­mus und Obses­sion in ihm sel­ber steckt, warum er ger­ade dieses Stück Lit­er­atur für die Bühne adap­tiert hat – erin­nert sie dann nicht an eine der zahlre­ichen Jour­nal­is­ten, die sich anlässlich des Films auf Roman Polan­s­ki stürzen? Die reflex­haft nach Par­al­le­len zu seinem Leben, seinen Beziehun­gen, dem Skan­dal um den Miss­brauch ein­er 13jährigen vor 40 Jahren fah­n­den? Und ist es nicht gle­ichzeit­ig reine Koket­terie, dass Polan­s­ki seinen neuesten Film mit Anspielun­gen auf sein eigenes Leben und eigene Filme würzt?

Die grüne Haus­jacke, die aussieht, als stamme sie aus dem Fun­dus von “Tanz der Vam­pire”; das klaus­tro­pho­bis­che Zweier-Set­ting in dem herun­tergekomme­nen The­ater, das unwillkür­lich an Polan­skis Hausar­rest in einem Schweiz­er Chalet denken lässt, während die USA seine Aus­liefer­ung wegen Kindesmiss­brauchs forderte. Und als wäre das noch nicht genug, spielt nicht nur Polan­skis eigene Ehe­frau die undurch­sichtige Van­da, son­dern auch noch Math­ieu Amal­ric den Regis­seur im Taumel der Obses­sio­nen.

Ein drahtiger, kleingewach­sen­er Typ Mann, der selb­st im Close-Up aussieht wie der jün­gere Brud­er Polan­skis. In ein­er der let­zten Ein­stel­lun­gen des Films ste­ht dieser mit ver­schmiertem Lip­pen­s­tift an einen drei Meter hohen Kak­tus in der Mitte der Bühne gefes­selt, ein Überbleib­sel aus ein­er West­ern-Pro­duk­tion. Ein starkes Bild. Und eines, das zu hämis­chen Assozi­a­tio­nen förm­lich ein­lädt. “Polan­s­ki am Penis-Pranger”, alli­terierte ein Filmkri­tik­er fol­gerichtig.

Ein durch­weg gelun­gener Film also, allerd­ings ein­er, der seine Zuschauer bisweilen hart fordert. Nicht etwa, weil er beson­ders expliz­it wäre, eher im Gegen­teil, weil er so sub­til ist. Die Kom­bi­na­tion “Dun­kler Kinosaal, monot­o­n­er Schau­platz plus zwei Per­so­n­en” ver­langt ganz schön viel Aufmerk­samkeit.

Mehr jeden­falls als Polan­skis let­zte The­ater­ver­fil­mung “Gott des Gemet­zels”, in dem die unter­schiedlichen Allianzen der vier Fig­uren für mehr psy­chol­o­gis­che Abwech­slung und Kam­er­afahrten vom Wohn- ins Badez­im­mer für mehr visuelle Vari­anten sorgten. Mehr auch als “Inter­view”, eben­falls ein Zwei-Per­so­n­en-Stück und Geschlech­ter­du­ell, vor eini­gen Jahren ver­filmt mit Steve Busce­mi und Sien­na Miller. Da erlaubte sich der Regis­seur zumin­d­est die Abwech­slung zwis­chen Café, Loft und Straße.

Man kön­nte darüber stre­it­en, ob die Filmkam­era dem David-Ives-Stück tat­säch­lich eine Dimen­sion hinzufügt, abge­se­hen vom per­sön­lichen Polan­s­ki-Par­lan­do. Oder ob das eigentlich ein Film für all die ist, die lieber ins The­ater gehen als ins Kino. Ander­er­seits läuft das Orig­i­nal-Stück in Deutsch­land derzeit nur im Renais­sance-The­ater Berlin, und dort spie­len wed­er Emanuelle Seign­er noch Math­ieu Amal­ric mit. Da liegen Pas­sage, Aba­ton und Zeise-Kino doch etwas näher.

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