Oslo, innen

Es fällt ja schw­er, etwas über Cast­ing­shows zu schreiben. Dumm, men­schen­ver­ach­t­end, Prekari­ats-TV, Ein­tagessternchen. Und das da in der Regel der soubret­ten­hafte Knödel­ton amerikanis­ch­er Musi­cal­prove­nienz gepflegt wird, ist auch eine Binse. Was da alles anders ist bei “Unser Star für Oslo”, ist schon gewaltig durch den Blät­ter- und Onlinewald ger­auscht. Das non-bohlen­hafte eines Ste­fan Raab, die gesan­glichen Qual­itäten der Bewer­ber, alles schon durch. Und Lena Mey­er-Lan­drut. Die kleine Ver­rück­te, die Blumenelfe, das spon­tane Björk-Dou­ble. Alles schön, die junge Frau ist unge­mein tal­en­tiert und eignet sich her­vor­ra­gend als Pro­jek­tions­fläche. Warum muss sich eigentlich heutzu­tage jemand als ver­rückt beze­ich­nen lassen, der sich nur begren­zt dem Quoten­ra­diosound unter­wirft? Eine Kat­e­gorie ist da wohl nötig, son­st wird es beängsti­gend, das Andere.

Immer­hin bekom­men wir es hier mit einem für dieses Genre völ­lig neuen Blick­winkel zu tun. Anders als bei vie­len dieser Hoff­nungss­chöpfer des Star­tums ste­ht anscheinend die Form und die Gestal­tung des Inhalts im Zen­trum. Wann immer diese Sän­gerin auftritt, tritt nicht der Vor­trag im All­ge­meinen in den Vorder­grund, son­dern die Entste­hung des Song­textes, der erzählten Geschichte. Aus der bloßen Tex­tur des Pop­musikalis­chen tritt die Nar­ra­tion wieder her­vor. Pri­ma la musi­ca e poi le parole (Salieri) ist nicht mehr – oder ein­fach­er: Die Stimm­fähigkeit der Kün­st­lerin tritt fast voll­ständig hin­ter den Aus­druck zurück. Das ist bemerkenswert und schafft Aufmerk­samkeit für die mitunter triv­ialen Lügen des Pop­songs, aber gibt Gestal­tungsmöglichkeit­en zurück, die diese Triv­i­al­ität auf eine Ebene heben, die sich ein­er Wahrheit in der Deu­tung mehr nähert als das “aus­drucksvolle” Stimm­pressen, das aus der täglichen Musik­mas­chine quillt. Kein Geknödel eben, son­dern Geschicht­en. Bra­vo. Ob diese Form der Binnen­erzäh­lung im Pop­song nun der Welt des “Euro­vi­sion Song Con­test” gerecht wird, ist ungewiß. Aber es schmückt ganz unge­mein.

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