Gleichschaltung. Ein Widerstreit.

Elbphilharmonie 2010 …
Elbphil­har­monie 2009, 2010, 2011, …

Seit einiger Zeit find­et man in Ham­burg Plakate mit der Auf­schrift: “Das Orch­ester der Elbphil­har­monie  – Das NDR Sym­phonie-Orch­ester”. Das erscheint uns eigen­tüm­lich.

Schaut man auf die Seite www.elbphilharmonie.de, sieht man es: Es gibt in Ham­burg nur noch Elbphil­har­monie-Konz­erte, Elbphil­har­monie-Spiel­stät­ten und anscheinend auch Elbphil­har­monie-Kün­stler. Wer­berisch sich­er ein guter Schachzug, eine Marke zu etablieren, die es eigentlich noch nicht gibt.

Der Bau ste­ht unvol­len­det, die Fer­tig­stel­lung ist ungewiss. Es wird zwar ein Richt­fest gefeiert, das die baldige Eröff­nung sug­geriert, aber es gibt nichts zu feiern, denn man wird warten müssen, sehr lange warten müssen. Der ständig steigende Pegel des Finanzierungsvol­u­mens ist schon Skan­dal genug, sowohl Kul­turse­n­a­torin als auch der Erste Bürg­er­meis­ter, die in die Ver­ant­wor­tung treten müssten, zuck­en mit den Schul­tern und sind völ­lig unver­ständlicher­weise noch immer im Amt. Das ist nicht mehr ver­wun­der­lich, son­dern kom­plett grotesk. Was muss eigentlich noch passieren, damit irgend­je­mand die Kon­se­quen­zen zieht? Aber so ist es wohl in Ham­burg. Kul­tur- und Kul­tur­poli­tik ist zweitrang­ing und offen­sichtlich nicht ein­mal wichtig genug für einen sat­ten Skan­dal.

Schon sehr früh sind die Nebelschwaden der Markenkrea­teure aufge­zo­gen, der Begriff wird seit der Grund­stein­le­gung heftig pen­etri­ert und die eventuelle Konkur­renz anscheinend gle­ichgeschal­tet. Die ehrwürdi­ge Laeiszhalle heißt nun­mehr “Laeiszhalle Elbphil­har­monie Ham­burg”, genau der Spielort, der als nicht mehr aus­re­ichend erk­lärt wor­den ist, um den Neubau unter anderem “kün­st­lerisch” zu recht­fer­ti­gen. Geschickt gestreut wurde damals in diesem Zusam­men­hang, Ham­burg würde als­bald in der musikalis­chen Bedeu­tungslosigkeit ver­schwinden, schaffe man nicht einen Auftrittsort für inter­na­tionale Stars. In der unguten Laeiszhalle, in der in den ver­gan­genen Jahrzehn­ten schon so manch­er dieser inter­na­tionalen Stars umjubelt wurde, find­en nun­mehr “Elbphil­har­monie Konz­erte” statt. Wie kann das sein?

Nun ist das großar­tige NDR Sin­fonieorch­ester also auch noch das “Orch­ester der Elbphil­har­monie”. Was kommt denn als näch­stes? Wird die Staat­sop­er zur “Oper der Elphil­har­monie”? Da capo al fine.

Die Frage muss erlaubt sein: Warum lassen sich all diese gut funk­tion­ieren­den und eigen­ständi­gen Insti­tu­tio­nen unter dieser dubiosen Dachmarke zusam­men­führen? Warum hin­ter­fragt nie­mand diese Prax­is? Warum muss ein renom­miert­er Klangkör­p­er von inter­na­tionaler Bedeu­tung, wie es das NDR Orch­ester in den let­zten Jahren gewor­den ist, gemein­same Sache machen mit einem Pro­jekt, über dessen Notwendigkeit man stre­it­en darf und auch muss?

Ist das wirk­lich gut und wichtig für Ham­burg, oder eher teuer und nichtig? Steckt dahin­ter etwa der mit Macht und Gewalt vor­angetriebene Wun­sch ein Pres­tigeare­al, näm­lich die hüb­sch zube­tonierte Hafenci­ty, mit “Kul­tur” zu füllen? Wird die “Tote Stadt” – und das ist sie bis dato, trotz aller Ver­suche, diese stadt­planer­isch miss­lunge Anhäu­fung von Design-Architek­tur zu ani­mieren – dadurch belebt, daß ein weit­er­er architek­tonis­ch­er Solitär errichtet wird? Wozu taugt dieser Bau? Darin soll der beste Klan­graum Europas, wenn nicht der ganzen Welt (was für ein Kinder­traum­wort) entste­hen. Ob das so sein wird, sei dahingestellt und bleibt abzuwarten. Aber das ist ein Plan, kein Konzept. Des weit­eren wird ein Hotel (es gibt näm­lich in Ham­burg keine Luxu­sho­tels) in einzi­gar­tiger Lage dort einziehen. Und Woh­nun­gen soll es auch geben. Von denen gibt es in der Hafenci­ty auch kaum welche, zumin­d­est nicht in der unmit­tel­baren Nähe.

Das ist alles ohne Beispiel – denkt man. Aber der Ham­burg­er hat sei je auf seinen pres­tigeträchti­gen Fort­gang gepocht. Vergessen ist, daß auch dort, wo heute das Are­al der neuen Hafenci­ty begin­nt, und dort, wo jet­zt die bei­den grossen Kaispe­ich­er umge­baut wor­den sind – der eine in das prächtige, aber inhaltlich beden­kliche Mar­itime Muse­um des Peter Tamm, der andere in die Elphil­har­monie – einst eine lebendi­ger und gewach­sen­er Stadteil stand. Dessen Bewohn­er wur­den umge­siedelt und die Flächen ein­fach planiert, daraus ent­stand der Frei­hafen und die heute nun schon muse­ale Spe­ich­er­stadt. Alles zum Wohle des Han­dels und Wan­dels der Hans­es­tadt. Der Grund und Boden des Hafenare­als hat also eine gewisse Tra­di­tion des Neuan­fangs auf grossem Fuß.

Fassen wir zusam­men: Erstens, der Investi­tion­sskan­dal der Elbphil­har­monie inter­essiert nie­man­den. Zweit­ens ist es dem Ham­burg­er ziem­lich egal, wie und welche Kul­tur gemacht wird, nur repräsen­ta­tiv muss sie halt sein. Drit­tens: Der Zweck heiligt die Mit­tel. Faz­it: Nur wer im Wohl­stand lebt, lebt angenehm. So ist’s, ger­ade in Ham­burg. Ist das nicht entset­zlich, daß das wirk­lich so ist?

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