Der Sänger ist nicht Steve McQueen

Stefan Gwildis' neues Album »Freihändig«

Auf dem Weg zum Hamburger Stadtpark regnet es nicht. (Bild: indiespeaker.com)
Auf dem Weg zum Ham­burg­er Stadt­park reg­net es nicht. (Bild: indiespeaker.com)

Mit der aller­größten Freude hören wir eine der meis­tent­behrten Stim­men der Ham­burg­er Musik­szene endlich auf ein­er Plat­te wieder – die auf diesem Medi­um so schmer­zlich ver­mißte Regy Clasen singt auf Ste­fan Gwild­is neuem Album »Frei­händig« ein Duett mit dem ollen Barm­bek­er Soul­man.

Unverkennbar in der Into­na­tion und Phrasierung jubelt die kleine Sän­gerin zusam­men mit Gwild­is ein etwas albernes Lied­chen über das Aufat­men nach ein­er Tren­nung. Musikalisch ist das ein zauber­hafter Dia­log, the­ma­tisch aber erschließt sich die Idee dieses Songs nicht so recht. Da tir­ilieren die bei­den sehr, sehr har­monisch über schme­ichel­nden Stre­ich­er­sets über die Erle­ichterung nach ein­er Tren­nung. Für iro­nis­che Dis­tanz geht das kaum durch, anhören kann man das aber so, daß es eine Freude ist und man mit­trällern möchte, ohne auf den Text so richtig zu hören. Schlimm wird dann allerd­ings ein Sprachin­sert vor dem let­zten Refrain. Da klemmt’s gewaltig.

Will der geneigte Hör­er (und bei diesem kleinen Come­back von Regy Clasen ja über­aus geneigte Hör­er) solche Zeilen wie: “heißt das etwa, das ich von nun an wieder richti­gen sex haben kann, mit allem drum und dran … und es ist nie­mand mehr da, der mich vor meinen fre­un­den lächer­lich macht” wirk­lich hören? Par­don, das ist wirk­lich pein­lich.

Das Gwild­is eigentlich bei seinen Über­tra­gun­gen von Soul Klas­sik­ern in der Regel ein glück­lich­es Tex­ter­händ­chen hat, ist hin­länglich bekan­nt, die Attitüde sein­er Motown-und­soweit­er-Liebe hat er son­st meis­ter­haft drauf. Hier irrt der Kön­ner ein­mal, sei‘s drum.

Über­haupt, die Texte. Die in der Män­ner­fre­und­schaft mit dem umtriebi­gen Kumpel Michy Reincke ent­stande­nen Texte gehören zu den stärk­eren auf dieser Plat­te, sie erzählen hüb­sche kleine Geschicht­en über Liebe, Sehn­süchte und All­t­ag.
Wirk­lich schön ist die Midtem­po-Bal­lade “Sag mir wo” gewor­den, ein biss­chen gebrochen und dabei relaxed groovend. Gle­ich danach bounct der funkige Baß in “Ver­giss es”, eines der typ­is­chen Gwild­is-Stücke über gescheit­erte Lebensen­twürfe und Krisen, auch hier hat Reincke seine Fin­ger mit an der Schreibfed­er. Bläser­sätze auch, ja klar. Pri­ma Musik.

Und dann noch “Sowas kanns’ nich ler­nen”, ein schick­er New-Orleans-March­ing-Band-Sound wie er im Buche ste­ht. Da freut man sich wirk­lich auf eins der leg­endären Live-Konz­erte im Stadt­park, ganz kurz vor Barm­bek, wo die Jungs von der Bläser­frak­tion dann so richtig auf­drehen wer­den. Ob der Gwild­is dann einen bun­ten Schirm schwenkt, wenn er vor dem Gebläse her­marschiert?

Stilis­tisch pro­biert Ste­fan Gwild­is dies­mal ein wenig mehr aus, ein biss­chen Bar­ber­shop in “Hal­lelu­jah”, und zum Schluß ein All­time-Klas­sik­er, Michel Legrands “Wind­mills of Your Mind”. Sang Noel Har­ri­son anno ’67 mit ziem­lich dün­ner Stimme zu Steve McQueens Segelflugkün­sten in “The Thomas Crown Affair”, packt Gwild­is so ziem­lich alles aus, was er kann und zeigt, dass er wirk­lich ein großer Sänger ist.

Bei ihm heißt der Schmacht­fet­zen “Fall nicht auf mich rein”. Warm und rauh, mal mit einem Lächeln in der Stimme, mal mit genau punk­tierten Nuscheleien formt er ein Gebilde aus Ent­täuschung und Hoff­nung ein­er schon im Ansatz gescheit­erten Beziehung. Ein trau­riges Doku­ment eines vom Leben und der Liebe Geze­ich­neten – da stimmt jed­er Ton und jede noch so kleine Stim­mung. Und dann ist die Plat­te fast aus. Kann man kaufen.

 

Ste­fan Gwild­is:
Frei­händig [Ama­zon Part­ner­link]

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