Oslo, aussen

Lena: My Cassette Player
Lena: My Cas­sette Play­er

Das Album ist miss­lun­gen. Eine beliebige Songauswahl, keine Lin­ie. Main­streamig und glatt. Der Sound ist bass­lastig und in den Tiefen top­fig. Die Sän­gerin ist jung und uner­fahren, die Pro­duk­tion will stimm­liche Män­gel ver­schleiern und der aufge­set­zte Akzent ist fast unerträglich. Ausser­dem das Pro­dukt eine mehrmonatig laufend­en Cast­ing­show.

Damit ist alles gesagt, was man über Lenas (TAFKA Lena Mey­er-Lan­drut) Debu­tal­bum “My Cas­sette Play­er” sagen kann. Fast alles.

Denn … das alles ist richtig und ist es nicht. Diese Plat­te ist gefäl­lig, und zwar bis hin zur Gefall­süchtigkeit, und darin ist sie bril­liant. Daß das jun­gen Tal­ent, das die Medi­en so sehr lieben, daß nicht ein­mal eine stumpfe Boule­vard­kam­pagne es beschädi­gen kann – daß diese “18-jährige Abi­turi­entin” den bun­des­deutschen Massen gefällt, ist ein Phänomen. Der wahre Coup des Hin­ter- und Vorder­grundw­erk­ers des deutschen Grand Prix-Vorentschei­ds, Ste­fan Raab, liegt in der Her­beiführung der Kom­pat­i­bil­ität ein­er bis zur Pen­e­tranz eigen­willig daherk­om­menden Kün­st­lerin. Von der exaltierten Per­for­mance der ersten Auss­chei­dungsshows, die Raab sichtlich beein­druckt hat­te, ist in dieser Stu­dio­pro­duk­tion nur wenig geblieben, und damit tut er der Sän­gerin in diesem Fall erst ein­mal einen Gefall­en. Daß dahin­ter wirtschaftliche Inter­essen ste­hen, ist eine Binse und auch nicht der Rede wert, das ganze ist schließlich Pop-Busi­ness. Sieht man Lena Mey­er-Lan­drut zur Zeit bei einem der unen­delich vie­len Pro­mo­tion-Acts, schaut man gele­gentlich in müde Augen und auch der Vor­trag wirkt inzwis­chen manch­mal rou­tiniert. Aber das muss so sein, wenn die Erfol­gs­mas­chine anlaufen soll, das Großpro­jekt Grand-Prix will vor­bere­it­et wer­den und auch nach­haltig zemen­tiert wer­den. Was Raab weiß, ist, daß er einen – möglicher­weise in seinen Augen ungeschlif­f­e­nen – Edel­stein gefördert hat. Und es wird alles getan, um ihn zu polieren. Und wie das so ist – wo poliert wird, fall­en Eck­en und Facetten dem Glanz zum Opfer. Aber es glänzt so sehr, daß viele, viele Men­schen diese Plat­te kaufen wer­den und sie anderen weit­erempfehlen wer­den.

So ein Debu­tal­bum soll möglichst viel vom Ver­mö­gen des Debu­tan­ten zeigen, und so wird es auch zusam­mengestellt. Eine schon aus­ge­bildete Farbe zu find­en, ist mit Sicher­heit nicht zu erwarten. Insofern ist der Titel “My Cas­sette Play­er” gut gewählt, assozia­tiv denkt man an die schön alt­modis­chen Mix­tapes, die zum kul­turellen Gedächt­nis der prädig­i­tal­en Käufer­schicht gehören. Die Knaller kom­men natür­lich am Anfang, weil man den Liebling­shit natür­lich als erstes auf die Cas­sette über­spielt, in diesem Fall natür­lich der Grand-Prix-Song “Satel­lite”.

Dann fol­gt der Titel­song, bei dem textlich mächtig und dann doch nicht unel­e­gant in die Retrokiste gegrif­f­en wird:

I am not the kind of girl
Who takes you to a world
That’s far behind
But if you want me to replay
You need a lit­tle time
To rewind (…)

Like a book that’s on a shelf
With all its mem­o­ries
It’s hard to find …

Laid back ist der Vor­trag, und im Hin­ter­grund schram­melt gele­gentlich die hin­länglich bekan­nte Raab­sche Ukulele. Und so langsam kommt einem da der Ein­druck, daß da ein paar Geis­ter gewirkt haben, die den Witz angesichts des Chart-Erleb­niss­es nicht ver­loren haben – flach ist anders. Geschrieben haben diesen Song Raab und die Sän­gerin sel­ber. Studiert man das Book­let, find­et man die Kom­bi­na­tion häu­figer, Raab hat 8 der 13 Songs beiges­teuert – das ganze bekommt Lin­ie. Auf einem Mix­tape kom­men eben die Songs, die man mag. Anscheinend mögen’s bei­de ganz gern, das gefäl­lige Sam­mel­suri­um. Und der Raab kann ziem­lich exzel­lente Songs schreiben, so eine Bal­lade wie “Cater­pil­lar in the Rain” passt schon beina­he ins Amer­i­can Song­book, so etwas kriegen andere ihren Leb­tag nicht hin. Und siehe da – die unaus­ge­bildete Stimme wird plöt­zlich ziem­lich geschmei­dig und kriegt dann noch eine andere Farbe als den Mäd­chen-Sound (“die neue Björk”), der ihr oft ange­hängt wird. Die Stimme ist eben nicht gross, keine “Röhre”, aber form­fähig und immer von Aus­druck­swillen geprägt.

Gele­gentlich ist die Spiel­freude von Lena Mey­er-Lan­drut, die die TV-Auftritte des Cast­ings so geprägt haben, auch auf dieser Stu­dio­pro­duk­tion noch zu hören, häu­fig in den let­zte Zeilen einzel­ner Songs, wenn’s denn mal ein bißchen ungestümer sein darf. (“I Like to Bang my Head”) Über den Vor­tragsstil der jun­gen Dame ist schon viel geschrieben und geschwätzt wor­den, hin­reis­send Vor­läu­figes und reizend Manieriertes ste­hen da häu­fig ziem­lich gle­ich­w­er­tig nebeneinan­der. Immer­hin formt sie mit all ihrer Exaltiertheit Geschicht­en, die einen Zuhör­er inter­essieren kön­nen – hier ist das schon fast hin­ter der Poli­tur ver­schwun­den, aber dahin­ter blitzt es gele­gentlich char­mant durch.

Was wird fol­gen, wenn dieser ganze Grand-Prix-Aufruhr sich endlich gelegt hat, wenn die Plazierung (welche auch immer), nicht mehr rel­e­vant sein wird? Schön wär’s ja, wenn noch was käme. Aber erst­mal: Ein schönes Debut.

Lena: My Cas­sette Play­er

[xrr rating=3/5]

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