Oh, let it be a night of lyric rain …

Erstmals erscheinen beinahe sämtliche Gedichte der New Yorker Autorin Dorothy Parker in einer zweisprachigen Ausgabe

Dorothy Parker
Schraube fest, New York (Bild: Lewis Hine [Public domain], via Wikimedia Commons)

Ver­mut­lich muß man sich Dorothy Park­er als unsicheren Men­schen vorstellen, jemand, der Zeit seines Lebens nach Regeln und Sicher­heit­en gesucht hat. Viele ken­nen die Autorin als Meis­terin der Anek­dote, als Chro­nistin ein­er Zeit der merk­würdi­gen Melange von Enthem­mung und Melan­cholie, aus der so viele andere große Autoren der amerikanis­chen Mod­erne her­vorgin­gen, von Dos Pas­sos bis Fitzger­ald, von Hem­ing­way bis Stein.

Als Autorin ele­gant-lar­moy­an­ter Short-Sto­ries ist sie bis heute eine Ikone, sie wird auch in der Gegen­wart ob ihrer nach aussen präsen­tierten Selb­st­bes­timmtheit­en ger­ade von der weib­lichen Leser­schaft verehrt. Ein Blick in ihre Biogra­phie ver­weist aber auch immer wieder auf die Suche nach Halt, nach Ori­en­tierun­gen, die in eine Radikalität mün­dete, die viele ihrer Wegge­fährten brüskierte, ange­fan­gen bei ihrer Hingabe zu poli­tis­chen Dog­men bis hin zu ihrem Miß­trauen gegenüber ihr oft wohlgesonnenen Men­schen.

Den­noch – an kein­er Stelle wird die Durch­läs­sigkeit dieser Autorin so stark sicht­bar wie in ihrer Lyrik, mit der sie schon früh bemerkenswerte Erfolge erzie­len kon­nte, noch vor ihrer Kar­riere als Essay­istin für so glam­ouröse Großs­tadt-Mag­a­zine wie den “New York­er” oder “Van­i­ty Fair”. Viele ihrer Gedichte trafen den Nerv der unruhi­gen Zwanziger Jahre des let­zten Jahrhun­derts, jen­er Epoche nach dem ersten der bei­den Weltkriege, die zwis­chen Leben­süber­druß und Leben­staumel mäan­derte und deren lit­er­arische Zeitzeu­gen als die ein­er “Lost Gen­er­a­tion” in die Lit­er­aturgeschichte eingin­gen.

Dorothy Park­er lyrisches Hauptwerk erschien zwis­chen 1926 und 1936 in vier Gedicht­bän­den, fast alle waren erstaunliche Best­seller in ihrer Zeit. Jüngst ist im kleinen, auf Über­set­zun­gen spezial­isierten Dör­le­mann Ver­lag eine zweis­prachige Aus­gabe dieser von Park­er pub­lizierten Bände erschienen, die deutsche Über­tra­gung besorgte der über­aus renom­mierte Über­set­zer Ulrich Blu­men­bach, der sich mit Über­set­zun­gen von David Fos­ter Wal­lace und Jack Ker­ouac eine Namen gemacht und mit diesen so manchen Preis einge­han­delt hat. Der mit geprägtem Leinenein­band, Lese­bänd­chen und far­bigem Vor­satz dezent bib­lio­phil aus­ges­tat­tete Band umfasst über 200 Gedichte auf beina­he 400 Seit­en, begleit­et von einem Nach­wort der Leipziger Lit­er­atur­wis­senschaft­lerin und Über­set­zerin Maria Hum­mitzsch – somit ein gewichtiges Exem­plar, dass sich nicht zwin­gend für die Caféhauslek­türe emp­fiehlt.

So klingt es dann, das Park­er­sche Idiom:

Obser­va­tion
If I don’t dri­ve around the park,

I’m pret­ty sure to make my mark.
If I’m in bed each night by ten,
I may get back my looks again,
If I abstain from fun and such,
I’m prob­a­bly amount to much,
But I shall the way I am,
Because I do not give a damn.
(1926)

Das Unter­fan­gen, die Gedichte der überzeugten New York­erin Park­er kom­plett ins Deutsche zu über­tra­gen ist höchst ehren­wert und ver­di­ent Respekt. Die deutschen Fas­sun­gen sind keine reinen Über­set­zun­gen, son­dern der ambi­tion­ierte Ver­such ein­er Tran­skrip­tion. Durch die unmit­tel­bare Gegenüber­stel­lung zum Orig­inal­text ergeben sich reizvolle Ver­gle­ichsmöglichkeit­en, Blu­men­bach hat ver­sucht, eigen­ständi­ge Gegenüber zu schaf­fen, eine eigene Sprache zu find­en. Doch der Ver­gle­ich ist tück­isch, zuweilen wird eine selt­same Unbe­holfen­heit darin deut­lich, der hohe Ton der Über­tra­gung schlägt dann und wann ein­fach fehl.

Das liegt zum einen an der naturgegebe­nen metrischen Inkom­pat­i­bil­ität von Ursprungssprache und deutschem Text, zum anderen an der Genese ein­er spez­i­fisch deutschen und zugle­ich lyrischen Sprache, die sich vom Ges­tus des Vor­bilds stel­len­weise weit ent­fer­nt.

Dorothy Parker
Dorothy Park­er:
Denn mein Herz
ist frisch gebrochen
Gedichte – Englisch | Deutsch
Deutsch von Ulrich Blu­men­berg
Dör­le­mann Ver­lag, € 34,90
[ama­zon Part­ner­link]
Wo an vie­len Stellen das aktivis­che, englis­che “I” ste­ht, for­muliert die deutsche Fas­sung um, ins pas­sivis­che “es”, ver­liert die Dynamik der kurzsil­bi­gen englis­chen Worte. Der auk­to­ri­ale “Dri­ve”, das Her­vortreten aus dem lyrischen “Ich” geht so tat­säch­lich ver­loren, liegt jedoch ger­ade hierin der Reiz zur Iden­ti­fika­tion, der per­sön­liche Habi­tus, der die Autorin bis heute so begehrenswert für viele erscheinen lässt.

Zudem – bes­tim­mend in Park­ers Lyrik ist eine wei­thin vorherrschende klas­sis­che Form, Metren strenger Natur, Reim­schema­ta in poet­is­ch­er und über­liefer­t­er Sicher­heit, bei gle­ichzeit­iger inhaltlich­er Frei­heit bis zur Umkehrung, zur Pointe. Die Über­set­zung ver­sucht diesen Metren zu fol­gen, durch Umstel­lun­gen in der Form mitzuhal­ten, dadurch kommt es allerd­ings zu mitunter aus­ge­sprochen gestelzten For­mulierun­gen, die den weitaus agileren “Sound” des Orig­i­nals beina­he bis ins Gegen­teil verkehren.

So heißt es da in Braggart/Angeberin von 1926: “The day will ral­ly, wreathing/Their crazy taran­telle”, im Deutschen wird daraus dann das ungle­ich ver­hal­tenere “Die Tage tanz- und tapsen/Im Kreis zur Taran­tell’.” An ander­er Stelle (Light of Love) wird aus dem drän­gen­den “Young and free and fair” ein slo­gan-artiges “Schön, frei und jugendlich”, auch hier lehnt sich der deutsche Vers zurück, anstatt voranzutreiben, wird betulich hebend, wo er Stärke, ja, Ele­ganz zeigen kön­nte. For­mulierun­gen wie “Leucht­en lass den Rauschgold­mond” anstelle des flot­ten “Light your tin­sel moon …” erscheinen eher aus aus dem Sprach­schatz des Haus­vaters entsprun­gen als aus dem stets leicht schn­od­dri­gen Idiom des Jazz-Age, raunen dahin, wo sie konkret wer­den kön­nten, die vielgeschätzte Lakonie und Präzi­sion des park­er­schen Aus­drucks geht dabei mitunter ver­loren.

Es ist dies kein durchgängiges Phänomen, nicht jed­er Vers weist diese ver­schat­ten­den Phrasen auf, es richtet sich diese Beobach­tung jedoch auf ein grundle­gen­des Phänomen der lit­er­arischen Über­set­zung, inbeson­dere in der Lyrik – die Entschei­dung zwis­chen Nach- und Neu­dich­tung und Über­tra­gung. Ulrich Blu­men­bach weiß mit Sicher­heit um diese Prob­lem­stel­lung, er hat wohl ver­sucht, einen maßvollen Mit­tel­weg zu find­en, aus dem möglicher­weise die erwäh­nte Unentsch­ieden­heit rührt. In einem kleinen Post­skrip­tum ver­weist er auf umfan­gre­iche Diskus­sio­nen und Detailar­beit beim Zürich­er Über­set­zertr­e­f­fen – vielle­icht hat auch das vielfache Drehen und Wen­den der Verse zu ihrer par­tiellen Ver­schlep­pung geführt.

Allerd­ings schafft ger­ade dieser Mit­tel­weg eine Kon­trastierung, die die Park­er­schen Verse noch deut­lich­er, schär­fer, ver­spiel­ter erscheinen lassen und schafft eine um so größere Hil­festel­lung bei der Einord­nung und bei der Erfas­sung des Orig­inal­textes. Vor allem: Noch ein­mal sollte bemerkt wer­den, dass dieses Kom­pendi­um eine in Deutsch­land bis­lang unbekan­nte Dorothy Park­er, jen­seits ihres erzäh­lerischen Werkes, greif- und les­bar macht. Das macht es zu einem bemerkenswerten Desider­at.

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