Zu Besuch bei Oberst von Huhn

Axel Hacke liest im St. Pauli Theater

(Photo: Thomas Dashuber/VISUM)
Stets auf der Suche nach einem guten Schnitzel­wa­gen (Pho­to: Thomas Dashuber/VISUM)

Er betritt die leere Bühne mit einem Stapel Büch­er und Map­pen, nimmt Platz in einem hellen Ses­sel, der uns an Vico von Bülows Sofa erin­nert und begin­nt – eben­falls ganz Loriot’sch – den Abend mit der Dro­hung, all das zu lesen, was er mit sich herumträgt. Die Türen seien zu, warnt er, nun werde bis in die frühen Mor­gen­stun­den gele­sen. Das Pub­likum bleibt trotz­dem heit­er. Oder ger­ade deshalb.

Er begin­nt mit dem Vor­speisenkapi­tel seines neuen Buch­es “Oberst von Huhn bit­tet zu Tisch”. Hier wid­met er sich nicht – wie in “Der weiße Neger Wum­ba­ba” – den Ver­hör­ern des deutschen und inter­na­tionalen Liedguts. Den­noch sam­melt er auch hier, was seine treuen Fre­unde aus ganz Deutsch­land ihm seit Jahren zusenden (“Hier ein Brief aus Bot­trop; diese Men­schen wohnen aber auch über­all!”): Speisekarten im Aus­land und deren grandios komis­che, bisweilen poet­isch anmu­ten­den Über­set­zun­gen ins Deutsche.

Begin­nend mit leichteren Übun­gen führt er sein Pub­likum behut­sam in das Zauber­re­ich der Fehlüber­set­zun­gen: etwas Leichtem, Kurzem beispiel­sweise wie der Vor­speise “Onion rings”. Eine sein­er Leserin­nen ent­deck­te in Eng­land dafür die tre­ff­sichere Über­tra­gung „Zwiebel ruft an“. Wenn man darüber kurz nachsin­nt, die plau­si­ble, jedoch nicht min­der komis­che Über­tra­gung ein­er Online-Such­mas­chine. Und schon sind wir mit­ten­drin.

Denn die deutsche Sprache find­et – so Hacke – erst im Aus­land, wo die Regeln der Gram­matik außer Kraft geset­zt sind, zu ihrer eigentlichen Schön­heit, dem Zauber der Sinnlosigkeit. Hier ist sie ganz, hier darf sie sein: nichts als phan­tasievoller Klang. Und Hacke nimmt sie ganz entspan­nt auf seine trock­ene und sehr ken­nt­nis­re­iche Weise auseinan­der.

Wenn er da schmun­zel­nd die Wer­betafel eines Restau­rants in Rhe­da-Wieden­brück beschreibt, auf der “Genießen Sie unsere chi­ne­sis­che Cou­sine” ste­ht, erken­nt man wieder mal, dass zwei Buch­staben eine  Welt bedeuten kön­nen – wenn auch eine schlüpfrige.

Seine bedeu­tungsvolle Analyse der weltweit ver­speis­ten “gefühlten” Gerichte ver­set­zt das Pub­likum in unge­hemmte Heit­erkeit. Und er geleit­et es fachkundig durch sein inter­na­tionales lin­guis­tis­ches Menü – von der franzö­sis­chen Vor­speise über die Schweine­fleis­chgerichte in Bul­gar­ien bis hin zum Gehalt der Getränkekarten fern­er Län­der.

Nach der Pause eröffnet Hacke das Par­kett der gedanklichen Ver­stiegen­heit­en mit seinen Kolum­nen. Vom Umgang mit Wölfen über nicht vol­len­dete Großpro­jek­te kommt hier alles aufs Tapet, was ihm ins Auge springt. Seine Kun­st liegt darin, Assozia­tives zur gedanklichen Vol­len­dung zu brin­gen. Von Bunt­barschen im Weltall bis zu phan­tastis­chen Außerirdis­chen im Gold­fis­ch­glas, die eine Dogge mit Genuss wegschlürft. So haben wir es noch nie gese­hen, das Leben im All. Wer weiß, vielle­icht ist es schon mit­ten unter uns?

Spätestens bei den Top 7 der besten Missver­ständ­nisse, die mit Essen zu tun haben, ist man dem All­t­ag so enthoben, dass man sich tat­säch­lich wün­scht, die Türen wären wirk­lich ver­schlossen. Man möchte auf “San­ta Marias” Schnitzel­wa­gen davon­fahren in zauber­hafte Wel­ten des Ver­hörens, am besten gemein­sam mit der “Ver­wirrung des Dorsches”, “Kurt, dem Engel” und dem “Erd­beer-Schorsch”. Wer jet­zt wis­sen möchte, was es mit diesen Fig­uren auf sich hat, der lässt sich beim näch­sten Ter­min mit Hacke ein­fach einsper­ren. Wir wün­schen dabei viel Vergnü­gen.

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