Blaue Stunde

Wie man Preise auch anders vergeben kann – der Osterwold-Preis für Hörbücher 2012

Es ist nicht die MS
Dies ist nicht die MS “Berhard Schep­ers” – die liegt dahin­ter und ist viel klein­er. (Pho­to: HHF)

Der blaue Rumpf der MS “Bern­hard Schep­ers” schim­mert in der Abend­sonne. Auf dem Deck des 151 m lan­gen Con­tain­er­frachters der emsländis­chen HS-Reed­erei ist noch viel Ladung, auf dem Athabaskahöft mühen sich die Fahrer der großen Por­tal­hub­wa­gen, die Blechk­isten an Land zu brin­gen.

Würde denn ein­er der Hub­wa­gen­fahrer sein Fahrzeug für ein paar Minuten parken, ein Fer­n­glas zur Hand nehmen, das er dann auf den gegenüber­liegen­den Elb­hang richtete, dann kön­nte er, bei aus­re­ichen­der Ver­größerung natür­lich, möglicher­weise eine junge, blonde Frau bei der Arbeit beobacht­en, die ihren Leben­sun­ter­halt damit ver­di­ent, Men­schen pho­togra­phieren zu lassen, die sich in som­mer­lich­er Garder­obe gegen­seit­ig an den Schul­tern fassen und ihre Gesichter zu Kam­er­a­gesichtern wer­den lassen.

Sie lächeln, wie man es für die Abbil­dung in einem Gesellschafts­blatt erwarten darf. Es sind eine ganze Rei­he promi­nen­ter Schaus­piel­er da, die aus dem Fernse­hen bekan­nten ger­at­en automa­tisch in den Fokus der jun­gen Dame, sie ste­hen auf ein­er handgeschriebe­nen Liste, die sie in der Hand hält.

Auch sie lächelt bei jed­er Auf­nahme, motiviert, sobald sie sich abwen­det, wird ihre Miene geschäftig anges­pan­nt und sie eilt zum näch­sten, den Pho­tographen im Schlepp­tau. Lange sieht man sie nicht mehr unter den Gästen, die Liste ist wohl abge­hakt.

Die Anwe­senden sind vorher über einen kleinen roten Tep­pich im Vor­garten der Elbchausseevil­la gegan­gen. Hier resi­dierte bis vor seinem Umzug in das Herz von Altona der kleine Ver­lag Hör­buch Ham­burg und an diesem Abend wird hier ein Preis ver­liehen, der Oster­wold 2012. Margrit Oster­wold heißt die Grün­derin des Ver­lages und nach ihr der Preis. Die Preisver­lei­hung geriert sich als eine kleines Gesellschaftereig­nis, zumin­d­est scheint das der Boule­vard so zu sehen, deswe­gen auch das erhöhte Kam­er­aaufkom­men.

Aber das ist eigentlich egal.

Denn dieser Preis ist keine Prämierung kün­st­lerische Best-ofs, keine Jury hat nächte­lang getagt, und es wird auch nicht etwa das ver­meintlich beste Hör­buch der Repub­lik aus­ge­sucht.

Es ist eine Art Fam­i­lien­feier, denn die Sprech­er, die aus­geze­ich­net wer­den, sind Stim­men des eige­nen Ver­lages und die Auswahl ist fam­i­lien­gerecht sub­jek­tiv.

Margrit Oster­wold und ihr Ver­lag zeich­nen aus, was Ihnen gefällt, dafür gibt eine kün­st­lerische Stat­uette des Berlin­er Kün­stlers Volk­er März, für jeden Preisträger eine andere Vari­a­tion und die Ehre.

So etwas ist ziem­lich einzi­gar­tig, und alle Preis­gekrön­ten – in diesem Jahr die Schaus­piel­er und Sprech­er Sascha Icks, Peter Jor­dan, Hans Löw, Stephan Schad und die Autoren V0lker Klüpfel und Michael Kobr  für ihre Kluftinger-Hör­texte – machen es eben­falls anders als die Anderen, die auf den hoch aufge­hängten Galas ein paar Worte des Dankes her­ausstam­meln. Sie erzählen Geschicht­en aus der Arbeit, aus der Pro­duk­tion und ganz offen­sichtlich fühlen sie sich ziem­lich wohl dabei.

Unter den Heizpilzen – der Som­mer ist noch nicht ganz anwe­send – auf der brechend vollen Ter­rasse kommt bald Stim­mung auf. Peter Jor­dan hält eine lau­nig unverkrampfte Dankesrede, die genau das for­muliert, was alle wis­sen: Es wird nach Gut­dünken prämiert und das ist auch gut so.

Die Grand Dame Margrit Oster­wold spricht eben­so lau­nige Worte, ham­bur­gisch verkrampfte Elbat­titüde scheint ihr fremd zu sein, die Leute fühlen sich wohl, gegessen wird auch und – so merk­würdig das in dieser Stadt erscheinen mag – man spricht viel miteinan­der.

Es ist dann doch kein echt­es Gesellschaft­sereig­nis (nun ja, ein biss­chen vielle­icht), son­dern eine hüb­sche Feier und, wenn man es so sehen will, eine ziem­lich ehrliche Ver­anstal­tung. Hier wird nichts Ver­meintlich­es behauptet, es wird nicht bew­ertet und man erhebt keinen Anspruch auf Objek­tiv­ität. Nur eine Fest zur blauen Stunde.

Das hat sich der Hub­wa­gen­fahrer wohl nicht gedacht, als er sein Fer­n­glas auf den Elb­hang richtete. Oder hat er das gar nicht?

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