Memento moriendum esse

Geschichtsstunde: Wie der Kabarettist Sebastian Schnoy mit dem Adel umgeht

ge
Georg Elser von Her­marin­gen
(Bild: Nar­o­dowe Archi­wum Cyfrowe, Syg­natu­ra: 2–12179, via Wiki­me­dia Com­mons)

Es ist schon eine schwierige Sache mit der Komik, hier in Deutsch­land. Wir haben die Krawall­hei­nis, die sich im Pri­vat­fernse­hen tum­meln, wir haben die Retrokün­stler, die einen mit dem immer wiederkehren­den Kurt Tuchol­sky – gibt es andere? – unter­hal­ten wollen und wir haben die über­wiegend übel­lau­ni­gen “ern­sthaften” Kabaret­tis­ten.

Im deutschen Bil­dungs­bürg­er­tum find­et sich eine gewisse Vor­liebe für die Vertreter der bei­den let­zt­ge­nan­nten Kat­e­gorien, beson­ders die let­ztere erfreut sich im Nachkriegs­deutsch­land großer Beliebtheit. Schließlich gehört es spätestens seit den 70er Jahren des ver­gan­genen Jahrhun­derts zum guten Ton bele­sen­er und poli­tik­in­ter­essiert­er Kreise, sich an der atem­losen Besser­wis­serei des deutschen Fernsehk­abaretts à la “Scheiben­wis­ch­er” gütlich zu tun. Der Ham­burg­er Sebas­t­ian Schnoy beze­ich­net sich allerd­ings als Kabaret­tist und hat dabei doch einen anderen Weg gewählt als das Milieu der sat­uri­erten “Rive Gauche”.

Was nicht bedeutet, dass man es bei ihm mit dem Brachialulk der bewährten Sta­dionkomö­di­anten zu tun hätte. Im Gegen­teil, das Pub­likum, das sich am Pre­mier­en­abend seines neuen Pro­gramms “Von Stauf­fen­berg zu Gut­ten­berg” in Alma Hoppes Lust­spiel­haus ver­sam­melt hat­te, gehört im besten Sinne zu der Klien­tel, die man in Lifestyle-Pos­tillen mit dem Mode­be­griff “Norm­core” beze­ich­nen würde. Von der Funk­tion­s­jacke bis zum Blaz­er ist denn auch alles ver­sam­melt im Foy­er, man hört den leicht nasalen Eppen­dor­fer Sound genau­so wie den bre­it­en Ton aus der Barm­bek­er Ecke, am Weißwein wird genau so genippt wie Bier­pitch­er über den Tre­sen gewuchtet wer­den.

Sein The­ma ist der Adel, über den es sich gut lustig machen lässt, beson­ders im tief­bürg­er­lichen Ham­burg, dessen finanzs­tarke Ober­schicht nichts so gerne wäre wie “British”, dem Land of Hope and Glo­ry so nah und den Roy­als natür­lich gefühlt noch viel ver­bun­den­er als die Einge­bore­nen der Insel. Die sein­er Wahrnehmung nach gewaltige Diskrepanz zwis­chen Anspruch und Wirk­lichkeit dieser schon seit 1919 eigentlich ent­machteten Schicht ist das Leit­mo­tiv seines Pro­gramms.

Das kön­nte natür­lich eine moralin­saure und dauer­belehrende Sache sein, schließlich ist Sebas­t­ian Schnoy His­torik­er und nen­nt seine Pro­gramme aus­drück­lich “Geschicht­sk­abarett”. “Wer die Enge sein­er Zeit ermessen will, studiere Geschichte.” schrieb der bere­its erwäh­nte Kurt Tuchol­sky schon 1926, und damit ist er wohl der Urvater des Schnoyschen Kabarettgedankens.

Damit das schon mal ganz klar ist, dass es sich um eine dis­tin­guierte Ver­anstal­tung han­delt, wird auf der offe­nen Bühne, vor dem sich sam­mel­nden, wein­nip­pen­den und bier­pitchen­den Pub­likum, Gepflegtes zele­bri­ert. Zwei Pseudo­por­traits des Kün­stlers im Gol­drah­men – wir wis­sen, Pho­to­shop hat­te ger­ade einen run­den Geburt­stag – dazu sitzt eine Har­fenistin auf der Bühne. So stellen wir Bürg­er­lichen uns den Adel vor, allein auf seinen Schlössern sitzend, und fil­igranem Gezupfe lauschend. Die Norm­core-Men­sch goutiert’s.

Kabarett ist in erster Lin­ie Gerede, Live-Vor­trag, Ansprache. Sebas­t­ian Schnoy beherrscht das und greift sich von Beginn an sein grund­bürg­er­lich­es Pub­likum. Schnell wird klar, dass die Bon­mots, die selb­stver­ständlich zün­den müssen – Prinz Charles spricht mit Pflanzen, der spanis­che König auf Ele­phanten­jagd, all diese »Ahas« und »Ohos«, die einem aus der Soci­ety-Presse ent­ge­gen­quellen –, nicht das eigentliche The­ma des Abends sind, obwohl sie sich so prächtig dazu eignen zu unter­hal­ten und sich von denen abzu­gren­zen, die kein nor­males Leben führen. Schnell ent­larvt er hier das »von« als ein­fache lokale Prä­po­si­tion, die auch den »ein­fachen« Mann tre­f­fen kann – so entste­ht mal schnell das Geschlecht der­er »von Barm­bek«.

Die Behaup­tung der Beson­der­heit und die vor­wiegend miss­glück­te Erfül­lung dieser Ver­sprechen zieht sich denn auch so grund­demokratisch durch den Abend, dass es eine reine Lust ist. Und natür­lich bekommt der berühmte gescheit­erte »Von«, der ein­mal Vertei­dungsmin­is­ter war, sein Fett weg, die Demon­tage von Adelsmythen ist, in die alte und neuere Ver­gan­gen­heit blick­end, äußerst amüsant.

Mit einem Mal hat Sebas­t­ian Schnoy ein Plakat in der Hand, ein ver­grössertes Schwarz-Weiss-Pho­to. Es zeigt keinen Adeli­gen, son­dern einen Tis­chler, jenen Tis­chler Georg Elser, der 1939 mit ein­er selb­st­ge­baut­en Bombe, Adolf Hitler umbrin­gen wollte. Die Bombe explodierte, Hitler hat­te jene Ver­samm­lung im Münch­n­er Bürg­er­bräukeller aber bere­its ver­lassen. Elser starb 1945 im Konzen­tra­tionslager Dachau, hin­gerichtet durch einen Genickschuss des SS-Manns Theodor Hein­rich Bon­gartz. An Elser erin­nern sich heute nicht mehr viele.

Die Par­al­lele zu einem sehr verehrten und sehr adeli­gen Helden, dem Hitler-Atten­täter Claus Schenk Graf von Stauf­fen­berg ist flugs gezo­gen. Die »Helden des 20. Juli« sind jüngst wieder gepriesen wor­den, doch ein paar Worte Schnoys über die nation­al­is­tis­che und durch aus nicht rein anti­na­tion­al­sozial­is­tis­che Grund­hal­tung Stauf­fen­bergs und der Ver­gle­ich mit Elser genü­gen dem Geschicht­sk­abaret­tis­ten, um Helden­verehrung im All­ge­meinen und diese im Beson­deren als unge­mein hin­ter­fra­genswert zu kennze­ich­nen. Man mag den Topos mit dem Lachen, das einem im Halse steck­en bleibt, nicht über­stra­pazieren, aber sel­ten trifft er so zu wie hier.

»Aut prodesse vol­unt aut delectare poet­ae.« – »Die Dichter wollen entwed­er nützen oder unter­hal­ten«, schrieb der Römer Horaz, oder auch bei­des, so fol­gt es im näch­sten Satz. Den römis­chen Helden wurde aber auch auf ihren Tri­umpfwa­gen ins Ohr geflüstert: »Memen­to morien­dum esse« – »Bedenke, dass du sterblich bist«. Der Sterblichkeit von Helden sollte man sich tat­säch­lich immer bewusst sein. Das schützt vor vorschneller Verehrung.

Und so ist sie da, die Aufk­lärung im Kabarett des Sebas­t­ian Schnoy, ohne Nörgelei. Der Mann will was.

1 Kommentar

  1. Werthes Ham­burg­er Feuil­leton, seit 5 Jahren mache ich,zusammen mit Jens Harz­er, am 8.11. dem Tag des Atten­tats von Georg Elser einen Abend, an dem ich sein Atten­tat (1939) dem von 1944 gegenüber­stelle.
    Am 8.11.14 wieder. Und der neue Elser-Film kommt im April auch noch, es geht als aufwärts mit Elsers Bekan­ntheit gegenüber den jährlich hochgelobten Mil­itäradli­gen.
    Her­zlichen Gruß,
    Hel­mut Butz­mann

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*