Fünf Tage, 13 Stücke, drei Bühnen: Das Körber Studio Junge Regie ist – neben dem jährlich stattfindenden Schauspielschultreffen – der ideale Ort, um sich einen Überblick über den Regienachwuchs im deutschsprachigen Raum zu schaffen. Einmal im Jahr wird das Gaußstraßengelände von Regie- und Schauspielstudierenden der Ausbildungsinstitute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bevölkert. 2015 nimmt zudem die Norwegische Theaterakademie Fredrikstadt am Wettbewerb teil – eine Entwicklung, die zeigt, das auch das Schauspiel, gleichwohl es von der Sprache lebt, immer internationaler wird.
Die Schulen nutzen die Chance, sich zu zeigen, und Intendanten, Regisseure und Dramaturgen die Möglichkeit, junge Talente zu entdecken. Vereinzelt trifft man hier interessiertes Publikum. Doch eigentlich ist das Körber Studio ein Branchenmarkt. Sehen und gesehen werden im besten Sinne, dazu Dialog, Austausch, Diskussionen. Pro Tag werden bis zu drei Stücke gezeigt, nach jedem Stück gibt es ein Publikumsgespräch, danach ein schnelles Getränk, bevor man in die nächste Spielstätte weiterzieht. Für die Studierenden finden zudem – nicht öffentliche – Gesprächsrunden statt, um Arbeitsweisen und Ideen zu diskutieren.
Bespielt werden das Thalia in der Gaußstraße und das JungeSchauspielHaus, diskutiert wird – mal mehr oder weniger ambitioniert und gehaltvoll – in der Thalia Garage. Vor denjenigen, die die ganzen fünf Tage durchstehen, darf man respektvoll den Hut ziehen, insbesondere aber vor der Jury, die zum Ende des Festivals ein Siegerstück kürt. Es ist eine Menge an Eindrücken, Handschriften, Stückentwicklungen und Bearbeitungen, die man hier zu sehen bekommt. Ein großer, aufregender, aber auch anstrengender Spielplatz der Theaterszene.
Ein Kommentar zu „Faust“
Die Themen reichen von klassisch bis heutig, von Ibsen bis Stückentwicklung. Doch es sind eher wenige, die sich an einen großen Stoff der Theaterliteratur herantrauen. Ein „Volksfeind“ ist zu sehen (Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, Ludwigsburg), dazu „Vor Sonnenaufgang“ vom Mozarteum Salzburg und Hebbels „Judith“ von der Folkwang Universität der Künste Essen. An den Judith-Stoff wagen sich gleich zwei Institute, nämlich auch eine Performance von der Universität Hildesheim — allerdings mit Titelverfremdung (“J.U.D.I.T.H”) und Altersbeschränkung ab 16 Jahren. Wer weiß, ob es ärgerlich ist, dass ich am Frühabend des 13. Juni nicht kann, aber im Programmflyer wird Folgendes angekündigt: “Die Wahrnehmung und Weltanschauungen der Zuschauenden können ins Wanken geraten, wenn Dildosaurier durch die Orgasmuslandschaft tanzen und die Vulva anfängt zu singen.” Schon die gender-korrekte Schreibweise der “Zuschauenden” lässt feministisches Gedankengut vermuten, und das von zwei Regisseurinnen mit Geburtsjahr 1988 hätte mich durchaus interessiert.
Das übergeordnete Motto lautet „Spiel-Räume“, und die sind, das wird schnell klar, so vielgestaltig, dass bei der Performance „Flimmerskotom“ des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft Gießen das Licht die Hauptrolle übernimmt – geführt von einer einzelnen Performerin, deren klare Position im Bühnengeschehen, so entnehmen wir der Jury-Diskussion am letzten Tag, leider im wahrste Sinne des Wortes im Dunkeln bleibt.
Wir steigen freitags bei sommerlicher Hitze ein mit Elfriede Jelinek, die übrigens gleich zweimal auf dem Festival vertreten ist, mit „Ulrike Maria Stuart“ und „FaustIn and out“. Jelineks Textflächen sind ja schon an sich ehrgeizige Unterfangen für Regie und Dramaturgie. Doch das kann junge Regie-Studierende nicht schrecken. Beherzt greift sich Paulina Neukampf von der Thaterakademie Hamburg den Faust-Kommentar, um ihn als Pamphlet über die Frau in der heutigen Gesellschaft zu inszenieren. Dass die Vorlage sich auch mit den Fällen Natascha Kampusch und Elisabeth Fritzl auseinandersetzt, tritt hier in den Hintergrund. In Jelineks Text, der sich an Frauenbildern und dem bürgerlichen Familienmodell abarbeitet, kann man das Eingesperrt-Sein im Keller gut als inneren Zwang begreifen, hervorgerufen durch eine männlich dominierte Welt in all ihrer Brutalität.
Das setzt Neukampf mit ihren sieben Schauspielerinnen deutlich um. Zu Beginn gebären zwei der Figuren einen „Faust“-Band unter Schmerzen, aus dem dann gelesen wird – ein starkes Bild, ein Einstieg, der knallt. Insgesamt ist die Vordiploms-Inszenierung sprachlich und handwerklich ausgezeichnet gearbeitet. Doch so abgeschlossen sie zu Beginn aussieht, so konzeptionell durchdacht sie auf den ersten Blick wirkt, wird doch auch im Publikumsgespräch klar, dass hier viel intuitiv entstanden ist. Dem durchweg weiblichen Team ist vor allem Wut darüber anzumerken, dass der Feminismus heute irgendwo stecken geblieben, irgendwie uncool geworden ist – obwohl doch ungezählte Missstände auf die Aktualität der Gretchen-Rolle hinweisen. Folgerichtig setzt Paulina Neukampf dem Jelinek´schen Kommentar auf Goethes Faust die Verfilmung von 1926 entgegen. Die Welt, die die Figuren im Keller von außen mitbekommen, ist fast 100 Jahre alt. Hat der Feminismus wirklich so einen Bart?
Zwei Stimmen im Kopf
Eine ehrgeizige Stückentwicklung hat sich Annalena Maas von der Bayerischen Theaterakademie August Everding vorgenommen. „Weiße Wüste“ heißt der Text, den ihre Freundin Laura Schubert für sie geschrieben hat. 70 lose Seiten Textmaterial über die Volkskrankheit Depression hat sie geliefert, 14 Seiten davon hat Annalena Maas auf zwei Rollen verteilt.
Annalena Maß inszeniert die zwei Figuren als springfidele Häsin, die am liebsten von Party zu Party hoppeln würde, und einen asketisch anmutenden jungen Mann, der von oben bis unten mit weißem Medizintape beklebt ist. Beide kämpfen sich aus dem überdimensionierten Inneren einer monströsen Torte, während aus dem Off Stimmen über die Entscheidungsvielfalt unseres Daseins philosophieren. Das Ich ist von seiner unbändigen Freiheit überfordert, soviel wird zu Beginn gleich klar – und leider bleibt das auch die einzige Aussage, die das Stück letztlich trifft.
Wie bei der kleinen Meerjungfrau ist es noch heute, findet der depressive Mann in Weiß: Beine oder Stimme. Es fallen Sätze wie “Freiheit reicht aus, um uns völlig unglücklich zu machen”. Das ist Quatsch, findet die Hasendame. Ihrer Meinung ist das ganze Leben ein Produkt, das uns glücklich macht, wenn wir uns nur richtig entscheiden. Um diesen Kern diskutieren, tanzen, kämpfen, ringen die beiden Figuren, die uns das Programmheft als zwei Stimmen ausweist: “Existenzangst und Selbstverwirklichungsdrang”. Der Schauspieler, der bibbert, stottert und stockt, ist ebenso in sich selbst gefangen wie die fidele Mäusin, die manisch mitten ins Leben springen und von Vergnügung zu Vergnügung rasen möchte. Am Ende steht sie am Tortenrand, weinend. Und das Stück entlässt uns mit dem Loop der Stimmen vom Beginn, bevor es dunkel wird über dem rosa Tortenland.
Der Generationentext, der uns vor Augen führt, dass die Möglichkeit der Wahl für viele Individuen im wahrsten Wortsinn zur Qual werden kann, kratzt leider nur an der Oberfläche, und so tut es auch die Regie. Ein bisschen viel Aktionismus, etwas zu viel Lärm und Gerangel, keine Aussage, die einfach mal stehen gelassen wird. Man wünscht sich eine entschiedene Dramaturgie, die öfter mal den Mut zum Weglassen empfohlen hätte. Und kurz stellt sich die Frage, warum die Lehrenden der August Everding-Akademie bei der Stückauswahl nicht mehr zur Seite standen. Aber das denken wir nur kurz, denn: Es ist ein Drittjahresprojekt, das Diplom kommt erst noch. Wann sollen junge Regisseure sich ausprobieren, wenn nicht jetzt?
Unter Haien
Am Sonntag, dem letzten Festivaltag, zeigt sich das Wetter wieder gewohnt hamburgisch kühl, und das Festivalgelände hat ein bisschen was von seinem Sommercamp-Flair verloren. Auch der letzte Tag beginnt mit einer Stückentwicklung, die bereits bei Rowohlt verlegt wird. “Der Volkshai” des Autorenduos Jakob Nolte und Michel Decar vermengt Motive aus Ibsens “Volksfeind” und dem Filmklassiker “Der weiße Hai” zu einer intelligenten und mit spitzer Feder geschriebenen Realsatire. Im Rimini von 1980 sind Politik wie Presse gleichermaßen im WM-Fieber – bis die Leiche eines kleinen Jungen am Strand gefunden wird. Die schöne Bademeisterin Giulia will einen Hai gesehen haben – ein Skandal! Das kann jetzt wirklich keiner brauchen. Vertuschung, Korruption und Eitelkeiten bestimmen die bitterböse Textvorlage, die vor Komik strotzt.
Man muss fairerweise vorausschicken, dass das Stück eigentlich außer Konkurrenz laufen müsste. Die Autoren, die bereits bei seiner Vordiplomsinszenierung mit Regisseur Matthias Rippert gearbeitet haben, möchten bezahlt werden. Und so kämpft Rippert dafür, sein Diplom an einem Stadttheater machen zu dürfen. Das Theater Bonn – fernab der Ausbildungsstätte, dem Max Reinhardt Seminar Wien – nimmt die Herausforderung an. In nur sechs Wochen erarbeiten Schauspieler, Autoren und Regie das Stück. Herausgekommen ist eine sehr spielbare Fassung, die vielleicht noch etwas Feinschliff und manche Kürzung vertragen hätte, insgesamt aber durch ihren satirischen Charakter überzeugt. Die professionellen Produktionsbedingungen eines Stadttheaters allerdings machen die Inszenierung eigentlich zu einem Abend, der sich nicht so recht ins universitäre Experimentierumfeld des Körber Studios fügen möchte.
Eine simple, multifunkionale Bühnenkulisse haben Fabian Liszt und Selina Traun für den Text gebaut, und die machen sich die ausgezeichnet geführten Schauspieler entschieden zueigen. Das Spiel ist körperlich, stark und überzogen, das Ensemble agiert an der Grenze zum satirischen Stereotyp mit solcher Leichtigkeit, dass das Publikum vom ersten Moment an mitten in der bösen Komödie steckt. Kaum tritt der Reporter voll sozialistischer Überzeugungen auf, wird er massiert, gekrault, gefügig gemacht, und wenn der Bürgermeister im tropischen Bademantel mit ihm im Autoscooter sitzt und aufs Meer blickt, wird schnell klar, dass das für die Anschauung des einst investigativen Journalisten kein gutes Ende nimmt: “Demokratie beginnt am Küchentisch, aber so´n Golfplatz am Strand, wie geil ist das denn?”. Da kann man die Sache mit dem Hai ruhig mal unter den Tisch fallen lassen und nachts mit der Politprominenz Särge über die Bühne schleppen.
Bademeisterin Giulia wird kurzerhand für verrückt erklärt, und ihre Liebe zum bärtigen Lino zerbricht daran, dass er ihr die Haigeschichte auch nicht mehr abnimmt. Einst war er “ein feiner Boy”, aber jetzt ist die Luft raus. Und so nimmt das Elend in Rimini seinen Lauf, bis keiner mehr wirklich weiß, wer das Blutbad angerichtet hat. Insgesamt hätte man dem Team etwas mehr Probenzeit gewünscht, damit Stück und Inszenierung noch ein wenig an Dichte und Tiefe gewinnen. Nichtsdestotrotz: Autorenduo und Regie sollten ihre Zusammenarbeit unbedingt fortführen, wünscht man sich.
Freundschaft = Liebe – Sex
Das letzte Stück der fünf Festivaltage kommt mit dem etwas sperrigen Titel “Société des Amis – Tindermatch im Oderbruch” von der Zürcher Hochschule der Künste. Regie führt bei der Stückentwicklung Jan Koslowski, die “künstlerische Leitung” übernehmen er und Nele Stuhler. Was genau das für den Probenablauf bedeutet, wird im Publikumsgespräch zwar nicht ganz klar, aber das ist bei dem höchst vergnüglichen Ergebnis eigentlich auch völlig Wurst. Denn was bei diesem Zitat des Kinder- und Jugendtraums endloser Sommerferien herausgekommen ist, ist ungewöhnlich, charmant und komisch, ohne dabei platt oder gewollt zu wirken. Nicht umsonst platziert die Jury das Stück auf der Short List der besten drei Festivalbeiträge.
Fünf Performer_innen in zünftigen Wanderoutfits mit Kniestrümpfen und Rucksäcken marschieren im Gleichschritt und Entenmarsch zwischen spiegelnden Dreiecken auf die Bühne. Chorisch und ausdruckslos skandieren sie: “Frohlocket! Heißa! Heureka! Yabba dabba doo!” Hier freuen sich fünf so richtig doll. Oder zumindest wird erwartet, dass man sich bei diesem Ausflug so richtig doll zu freuen hat. Bei dem utopisch-folkloristischen Feriencamp der fünf Freunde wird alles bemüht, was Lagerfeuer-Romantik ausmacht: Wolkenbruch und Abenteuer, Gruseln im Dunkeln und das Hände-Reiben über dem Feuer. Aber: So richtig Romantik kommt nicht auf, denn Klischees werden gebrochen, wo es nur geht.
Formalistisches Spiel, sprachliche Präzisionsarbeit, vor allem bei den Chorpassagen, hervorragendes Timing bei den Pointen und absurde Elemente schaffen das Augenzwinkern zum Klischee. Abstrakte Bilder von Romantik, die man vom endlosen Sommerurlaub mit den besten Freunden hat, erzeugen Komik. Und so kommen unterschwellig auch all die Enttäuschungen, Brüche und Zwistigkeiten, die in so einer Fünfer-Clique aufkommen können, nach und nach an die Oberfläche.
Sie hätten Enid Blytons “Fünf Freunde” im Kopf gehabt, erklärt das Duo Koslowski/Stuhler im Publikumsgespräch. Beide kennen sich schon vom Jugendtheaterclub der Volksbühne Berlin, beide haben erst getrennt voneinander studiert (er an der ADK in Baden-Württemberg, sie Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen), um dann an der Zürcher Hochschule der Künste wieder zusammenzutreffen und zu arbeiten. Sie gründen ein Theaterkollektiv mit dem unprätentiösen Namen “Leien (!) des Alltags”. Kein Einzelfall: Allein vier der 13 Festivalbeiträge sind aus Regie- und Schauspielkollektiven entstanden. Auch die Zusammenarbeit von Regie und Dramaturgie – so scheint es zumindest in den Publikumsgesprächen – ist eng verzahnt. Theater als echte Zusammenarbeit, als kreatives Erlebnis eines Kollektivs zeigt der Fokus der Spiel-Räume auf.
Die Kunst des Urteils
Auch wenn man nicht alle Festivalbeiträge gesehen hat, sollte man sich keinesfalls die Jurysitzung entgehen lassen. Selten bekommt man so intensive Einblicke in die Bewertung theatraler Arbeit – so neutral wie möglich und doch mit persönlich-subjektiver Draufsicht, die Theater so spannend macht. Hier sitzt geballte Kompetenz aus der deutschsprachigen Theaterlandschaft und diskutiert die Beiträge auf offener Bühne. 2015 setzt sich die Jury aus Theatermachern unterschiedlichster Disziplinen zusammen: Peter Carp (Intendant Theater Oberhausen und Regisseur), Cornelia Fiedler (freie Journalistin, u.a. Süddeutsche Zeitung, Theater Heute), Dr. Christoph Rodatz (Theaterwissenschaftler, Autor und freier Theatermacher), Rita Thiele (stellvertretende Intendatin und Chefdramaturgin Deutsches Schauspielhaus) und Roger Vontobel (freier Regisseur). Theater heute-Redakteurin Barbara Burkhardt moderiert die Diskussion unaufgeregt, einfühlsam und gewohnt kompetent.
Zehn Inszenierungen werden im Rahmen einer kurzen Kritik besprochen. Jede Inszenierung hat einen Fürsprecher, der kurz umschreibt, was an der Arbeit die Jury beindruckt und im Zweifel nicht so gefallen hat. Die Festivalbeiträge, darüber ist sich die Jury einig, tragen allesamt spannende Handschriften, sind meist sauber und rhythmisch klar gearbeitet. Doch, auch das wird schnell deutlich, einigen fehlt in den Augen der Jury die inhaltliche Tiefe. “Manchmal hatte ich das Gefühl, die jungen Regisseure trauen ihren eigenen Inszenierungen nicht”, versucht Rodatz das Gefühl in Worte zu fassen. Manches sei auch einfach zu brav, zu wenig radikal, vermeide politische und gesellschaftliche Relevanz. Auch stark politische Texte wie beispielsweise “Ulrike Maria Stuart” von Elfriede Jelink zieht sich ins Private zurück, der Text bleibt “harmlos durch die mangelnde politische Ebene”, so Fiedler.
Der zweite Jelinek-Text “FaustIn and Out” wird von Roger Vontobel besprochen. Figurenarbeit und Schauspielerführung haben ihn begeistert, vor allem die persönliche Ebene der Spielerinnen und die musikalische, stark rhythmisierende Arbeitsweise, die dem theatralen Moment vertraut. Aber wo driftet das Teamprojekt in die Radikalisierung? Auch hier vermisst die Jury die politische Schärfe des Textes. Paulina Neukampf kann trotzdem zufrieden sein. Ihre Inszenierung gewinnt – verdient – den undotierten Publikumspreis, und die überdimensionierte Flasche Schaumwein wird später im Foyer vom Damenteam lautstark geköpft.
Auch “Weiße Wüste” hät dem fundierten Blick der Juroren nicht stand. Die Textgrundlage wird von Peter Carp als schwach wahrgenommen, die Bipolarität einer Depression sieht er als nicht klar genug herausgearbeitet. “Societé des Amis” hingegen schafft es auf die Shortlist der besten drei Beiträge. Vontobel lobt die Zusammenarbeit des Ensembles, vor allem aber den persönlichen Zugang zum Thema, die Auseinandersetzung mit rückwirkenden Projektionen, das Kratzen am Lack eines idyllischen Kindheitsklischees. Die “Variation auf Sommernachtstraum”, wie Thiele das Stück nennt, wird im Jurorenkreis als Geschenk wahrgenommen. Laut Vontobel tritt hier ein, was beglückende Ensemblearbeit ausmacht, der intensive Dialog: “Setzt euch einander aus. Tretet in Kontakt miteinander!”
Das scheint der Produktion “Stop Being Poor” der Norwegischen Theaterakademie Fredrikstad gelungen. Fünf Absolventen der Bachelorstudiengänge Schauspiel und Bühnenbild haben sich einander ausgesetzt und – laut Jury – politische Relevanz bewiesen. Und zwar bei einem ganz ähnlichen Thema wie “Weiße Wüste”: Im Programmheft wird die Generation geschildert, die an der Überforderung ihrer Möglichkeiten scheitert. “Sei glücklich. Depression ist für Versager. Verletzlichkeit ist für Versager. Versagen ist für Versager.” Die Gruppenarbeit von Anders Firing Aardal (*1987), Matias Askvik (*1992), David Jensen (*1987), Marthe Sofie Løkeland Eide (*1989), Ylva Owren (*1991) und Heiki Eero Riipinen (*1990) erntet einhellige Jury-Begeisterung.
Die Körber-Stiftung unterstützt die Gewinner bei ihrer neuen Regiearbeit an einem renommierten Stadt- oder Staatstheater oder alternativ in der Freien Szene durch einen Produktionskostenzuschuss in Höhe von 10.000 Euro. Was für ein Erfolg für ein junges Ensemble! Da darf man schon mal strahlen.
Und den interessierten Zuschauern sei für das Körber Studio Junge Regie 2016 empfohlen, sich diesen jungen Handschriften auszusetzen. Allen. Und auf jeden Fall inklusive Jurysitzung. Soviel geballte Kompetenz und Beurteilungskraft, gepaart mit einem liebevollen Blick auf junge Theatermacher, werden sonst schwerlich zu finden sein. Wir wünschen jetzt schon mal viel Vergnügen.
verdammt viel text 😉