Seit dem 25. Mai findet in Hamburg – nunmehr zum zweiten Mal seit 1989 – das große internationale Festival »Theater der Welt« statt. Aus der Taufe gehoben hat es Anfang der achtziger Jahre die Hamburger Theaterikone Ivan Nagel, seitdem findet das Festival alle zwei bis drei Jahre in einer anderen deutschen Stadt sein Zuhause. Zuletzt gab es »Theater der Welt« in Mannheim 2014, unter der künstlerischen Leitung von Matthias Lilienthal. Bei der diesjährigen 14. Auflage zeichnet ein ganzes Kuratorium für das Programm verantwortlich: Die Intendanten von Kampnagel und Thalia-Theater, Amelie Deuflhard und Joachim Lux, sowie die Dramaturgen Sandra Küpper und András Siebold aus eben diesen Häusern. Wir trafen die »Viererbande«, wie sie sich selbst gern bezeichnet, zu einem langen Interview im Vorfeld des Festivals. Der hier veröffentlichte Teil des Gesprächs beschäftigt sich vorwiegend mit den Hintergründen und der programmatischen Ausrichtung von »Theater der Welt«. Weitere und ausführliche Details zum Programm können Sie in einer Interview-Fassung in der Online-Ausgabe der Zeitschrift »Theater der Zeit« nachlesen, für die unsere Autorin Natalie Fingerhut zeichnet.
hhf Wenn bei so einem Festival wie »Theater der Welt« aus so vielen Ecken und Enden des Globus Theatermenschen zusammenkommen, gibt es eine Gemeinsamkeit, in der sich alle verstehen? Gibt es eine universelle Theatersprache?
Joachim Lux Natürlich gibt es Aufführungen, die universell verstanden werden. Tanztheater gehört dazu, Peter Brook-Inszenierungen, manches andere. Trotzdem gibt es keine universelle Theatersprache oder das Theater-Esperanto “Denglish”. Ich glaube, es ist geht im Moment eher umgekehrt darum, dass man Neugierde auf die Unterschiede und das Andersartige hat, sich dafür interessiert, wie man beispielsweise in China Theater macht, oder in Australien oder Südamerika..
Sandra Küpper Das sieht man auch im Programm, die Vielfalt der theatralen Mittel und Formen und auch die Vielfalt der Geschichten, die erzählt werden.
András Siebold Wobei man ehrlicherweise sagen muss, das all diese Sachen, die wir hier zeigen, in einer gewissen Weise für unser Publikum lesbar sind. Oft haben wir als Kuratoren das Problem, dass wir eine Aufführung sehen, die nur in einem bestimmten Kontext funktioniert, also in einem bestimmten Land. Oder dass sich eine Inszenierung nur über die Situation vermittelt, über eine bestimmte Situation vor Ort. Das könnte man dann hierzulande erzählerisch gar nicht transportieren. Es passiert immer wieder, dass man sagt: Die Arbeit ist hier in ihrer Verortung total richtig und gut, aber wenn man dem Publikum nicht die Erfahrung bieten kann, das ganze Drumherum, den Kontext der Geschichte vor Ort, dann bringt das eigentlich nichts. Dann reißt man sie raus. Das ist mir übrigens auch immer mal wieder bei anderen Festivals aufgefallen, dass Kuratoren Arbeiten eingeladen, sie so ihres Kontexts beraubt haben und die Stücke dadurch nicht mehr funktioniert haben. Bei Theater der Welt haben wir uns bemüht, ein ein Programm zusammenzustellen, das in diesem Sinne so universal ist, dass es auch hier in Hamburg funktioniert.
Amelie Deuflhard Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass heute die Kulturen längst nicht mehr so getrennt sind wie vor 100 Jahren. Wenn wir nach Westafrika fliegen, dann trifft man einen Künstler in seinem Studio, der natürlich amerikanische Popmusik hört und nicht nur traditionelle westafrikanische Musik. Dasselbe in China oder im arabischen Raum und weltweit. Alle kommunizieren über Facebook, früher musste man irgendwo hinfahren, heute können wir mit Künstlern problemlos skypen, egal auf welchem Kontinent. Man muss nur gucken, dass man eine Zeit findet, wo beide gerade wach sind — trotz Zeitverschiebung. Natürlich hat jede Kultur ihr eigenständiges Erbe, das in vielen der Arbeiten auftaucht, aber heute gibt es keine strikte Trennung mehr, sondern auch viel Durchmischung, die eine global und medial vernetzten Gesellschaft mit sich bringt.
Joachim Lux Durchmischung und Parallelentwicklung, würde ich sagen. Ich war in China, da habe ich eine Aufführung gesehen, die sich auf Ilya Kabakow bezieht und an Susanne Kennedy erinnert. Und natürlich habe ich mich gefragt, ob die Chinesen ihre Technik von copy and paste jetzt auch aufs Theater anwenden (lacht) oder ob es sich um weltweit parallele und unabhängige Entwicklungen handelt?
hhf Gibt es denn so etwas wie eine internationale Community? Gucken die aufeinander – und die daran anschließende Frage wäre, inwieweit denkt man, dass diese Gruppen, wenn sie hier in Hamburg zusammenkommen, sich gegenseitig beäugen? Ist das beim Festival geplant, gibt es ein Forum vor Ort, ein Get-together, etwas wie: Gruppe “Dubai besucht Gruppe New York”?
Sandra Küpper Natürlich, das ist schon der Versuch, aber erzwingen kann man es nicht.
hhf Ja, warum auch nicht? Ich kenne das von anderen Festivals, wo die Teilnehmer sich gegenseitig zuhören, und denken: Ja spannend, der interessiert mich. Gibt es da ein Forum?
András Siebold Es gibt da leider zwei Seiten, die eine ist die Realität, und die andere das Ideal, was man hat. Und natürlich sieht das Ideal so aus, dass die Künstler, die hier von weither hinkommen, sich auch möglichst viel angucken können. Das funktioniert aber in der Realität meistens nicht so, wie man sich das vorstellt, weil sie oft relativ kurz vor Ort sind, allein schon aus ökonomischen Gründen. Wir können es uns nicht leisten, sie für drei Wochen einzuladen. Manchmal ergibt es sich aber, dann proben sie schon vorher hier und haben abends Zeit, sich etwas von den anderen Künstlern anzusehen. Oft ist es aber leider so, dass sie nach ihren eigenen Aufführungen nichts mehr angucken können, weil es einfach zeitlich nicht möglich ist. Wir haben das Programm zwar schon extra so disponiert, dass man mehrere Sachen an einem Abend sehen kann, aber in der Praxis funktioniert das leider oft nicht. Andererseits versuchen wir, alle irgendwo zusammenzubringen. Deswegen gibt es Haven, das Festival-Zentrum im Hafen, und wir hoffen, dass der Austausch dort vielleicht über das »wir gucken uns die Arbeiten der anderen an« hinausgeht, und Künstler und Interessierte dort ins Gespräch kommen
Sandra Küpper Zudem gibt es noch ein paar Begegnungsformate, wo Künstler, die zu gleichen Zeiten da sind und an ähnlichen Themen arbeiten, sich zum Talk im Haven treffen können. Gerade sind wir noch dabei zu schauen, wer an welchem Tag tatsächlich vor Ort ist, und welche Konstellationen passen könnten. Und es gibt das Haus von Fernando Rubio mit der durational performance THE TIME BETWEEN US, das er am Baakenhafen aufbaut, und so konzipiert, dass er dorthin andere Künstler mit einlädt, sich über ähnliche Erfahrungen des Zu-Hause-Seins auszutauschen.
Amelie Deuflhard Geichzeitig gibt’s eine große internationale Community sowohl von Kuratorinnen und Kuratoren als auch von reisenden oder viel eingeladenen Künstlern, die sich so ein Programm dann auch angucken und überlegen, ob das interessant ist. So ist es auch für Künstlerinnen und Künstler interessant, in einem spannenden Programm aufzutreten, das Verbindungen zu anderen Kollegen mit sich bringt. Wir befinden uns natürlich auch in einem internationalen Konkurrenzverhältnis zu einem großen Festival, das ist vollkommen klar.
hhf Konkurrenzverhältnis ist ein Stichwort – ist das auch eine Leistungsschau dessen, was hier stattfindet, in dem man auch eigene Produktionen ins Festival bringt, um zu sagen, ok, wir machen es hier so. Setzt man sich in den Vergleich?
Joachim Lux Das schon – aber Theater der Welt ist nicht ein internationalisiertes Berliner Theatertreffen …
Sandra Küpper Nein, es ist ein thematischer Vergleich, die Öffnung von Perspektiven …
Joachim Lux … wir sind nicht herumgefahren, um die besten Produktionen der ganzen Welt zu sichten, das ist nicht das Ziel des Festivals. Natürlich will ein Festival gute Arbeiten zeigen. Aber es geht auch darum, wie die Produktionen miteinander korrespondieren. Und ob sie für ein Land sprechen. Der Titel Theater der Welt formuliert einen nicht ganz unbescheidenen Anspruch. Aber er setzt auf die Neugier am anderen und nicht nur auf high end Produktionen.
hhf Wäre es vermessen, zu sagen, es ist ein Blick auf das Weltspektrum des Theaters, wir haben wirklich versucht, aus allen Ecken der Welt das, was gerade an zeitgenössischem Theater passiert, zusammenzukratzen …?
Joachim Lux Zusammenkratzen klingt wie fast vergebliche Fleißarbeit.
hhf Es geht nicht um Vollständigkeit, aber da ist schon der Versuch, sich möglichst breit umzuschauen?
András Siebold Das ist der Versuch, wobei uns von vornherein klar war, dass dieser immer zum Scheitern verurteilt ist, weil man gar nicht aus allen Ecken der Welt Sachen präsentieren kann. Das ist immer nur eine ganz kleine Auswahl, wobei wir immerhin alle Kontinente abdecken.
Joachim Lux Es ist alles vertreten, Nordamerika, Südamerika, Afrika, Naher und Mittlerer Osten, Asien, Australien … Europa kommt fast ein bisschen stiefmütterlich vor.
András Siebold Indien fehlt.
Sandra Küpper Wenn wir die einzelnen Länder durchgehen, fehlen so einige. (lacht)
hhf Im Vorgespräch fiel der Begriff der »Avantgarde« und der »Moderne«. Inwieweit ist das unter diesem Focus zu betrachten? Ist diese Art, das zu kuratieren, ein Griff in das Theaterverständnis einer klassischen Moderne, die von Avantgarde spricht?
Amelie Deuflhard Wir haben uns irgendwann angewöhnt, »Avantgarde« wieder zu benutzen, weil alle Theater in Deutschland sagen, sie seien zeitgenössisch und wir keine Differenzmittel mehr gefunden haben. Aber eigentlich ist Avantgarde ein problematischer Begriff, weil der so eurozentrisch ist, und wir haben tatsächlich versucht mit diesem Festival an vielen Ecken und Enden den eurozentrischen Blick aufzulösen. Wir machen zum Beispiel über 18 Tage einen Middle East Pop Up Club — so ähnlich wie ein Nachtclub in Damaskus — mit vielen Konzerten usw. Hier wird die Kunst aus dem Nahen und Mittleren Osten durch das Musikprogramm verstärkt. Natürlich haben wir versucht, interessante Theaterformen zu finden, aber ich glaube, das kann man mit Begriffen wie »klassischer Moderne« oder »Avantgarde« gar nicht wirklich fassen, da unser Programm alle Kontinente umfasst und all diese Begriffe in Europa entstanden sind.
hhf Was ist der Blick nach vorne dabei? Avant-garde im Wortsinne, als Vision des Voranschreitens?
Amelie Deuflhard Für mich ist der Blick nach vorne eindeutig der internationale in die globalisierte Welt, auch ein kritischer Blick auf Künstlerpositionen von anderen Kontinenten oder ein selbstbewusster Blick von anderen Kontinenten aus auf Europa. Wenn man jetzt mal sagt, das deutsche Stadttheater hat sich ursprünglich immer nur mit europäischen Sachen beschäftigt, ist das in einer globalisierten Welt doch gar nicht mehr möglich. »Avantgarde« heißt also den Blick auch aus der Kunst heraus zu öffnen und uns auch mit diskursiven Positionen in unserer Haltung als Europäer zu hinterfragen, die wir doch sehr dominant auf die Welt blicken.
Joachim Lux Ich kann mit dem bBegriff “Avantgarde” nichts mehr anfangen. Er stammt aus der Epoche der Moderne. Wir erleben heute eine Vermischung von Genres und Kunstgattungen, das ist interessant. Und schließlich: wir wollen unter anderem auch ein Publikumsfestival machen.
Amelie Deuflhard (lacht)
hhf Gibt es eine Vision eines globalisierten Theaters? Eines Universaltheaters?
Amelie Deuflhard Den Begriff Universaltheater würden wir eher nicht beanspruchen wollen. Denn es geht uns ja ganz stark um Diversität und um unterschiedliche Sichtweisen, unterschiedliche Fragestellungen, manchmal vielleicht auch um Antworten. Aber das Universelle, das sagt, wir können alles erklären, ist genau der Blick, den interessante Künstler und Denker eben nicht haben.
Joachim Lux Theater ist überall auf der Welt zuallererst eine lokale Angelegenheit. Sie entsteht aus der eigenen Tradition, aus dem eigenen Selbstbewusstsein, aus der eigenen Position zu dem Kulturraum und dem Land, in dem man lebt. Und das ist auch gut so. Manchmal entsteht daraus Welttheater. Dann nämlich, wenn eine bestimmte Ebene der Abstraktion oder der übergeordneten Verständlichkeit erreicht wird, wo der Zuschauer nicht vor einer völlig fremden Welt sitzt, zu der ihm der Zugang völlig verwehrt ist, sondern ihn die Bühnensprache trotz aller Fremdheit anspricht. Dann entsteht Kommunikation statt ethnologisches Museum oder Abnormitätenkabinett.
Manchmal entstehen auf dem Weltmarkt Produktionen, deren Kalkül von vornherein auf Abstraktion, auf Markt geht und das Lokale eliminieren – um diese Art von Globalisierung sollte es nicht gehen. Man sollte sich die Neugierde auf andere Menschen, Kulturen und Kunstformen erhalten. Dazu gehört auch, den eigenen eurozentristischen Blick und seine Standards hinter sich zu lassen. Das ist aber leichter gesagt als getan. Da ist noch viel Luft nach oben.
hhf Die Frage ist ja, wie kommt man an das Publikum ran in einer Zeit, wo die Diskussion um Diversität in Kulturen und Andersartigkeiten so heiß diskutiert wird? Wer geht da hin? Das Abopublikum des Thalias oder das Kampnagelpublikum, das jünger ist, reicht wahrscheinlich nicht aus, um so ein Festival zu füllen. Wie möchten Sie neues Publikum erreichen?
Joachim Lux Ich glaube, dass die Zusammenarbeit von Thalia und Kampnagel die Chance zu einer Erweiterung des Publikums ist. Auch die Zusammenarbeit mit anderen lokalen Playern wie St. Pauli-Theater oder sogar Ohnsorg. Hinzu kommt eine weitläufig entwickelte Musikschiene vom Ensemble Resonanz bis zur Weltmusik mit ihren Communities. Unserer Erfahrung nach interessieren sich auch die internationalen Communities in unserem Land, z. B. wenn auf Kampnagel eine syrische Popkünstlerin auftritt oder im Thalia China zu Gast kommt, dann spricht sich das in Windeseile rum. Die Chinesen reisen dann z.B. aus ganz Deutschland an.
hhf Gibt es einen pädagogischen Impetus, zu sagen, jetzt versuchen wir mal den blauen Blazerträger mit der roten Hose zu kriegen?
András Siebold Das interessante ist ja, dass die blauen Blazerträger mit der roten Hose, sich ja bei sowas total gerne mitreißen lassen. Das ist ja das Tolle in Hamburg, wenn so ein Festival erstmal Stadtgespräch wird. Das Ding ist schon total losgegangen. Es war wahrscheinlich die größte Pressekonferenz, die sowohl das Thalia als auch Kampnagel je gemacht hat, weil diese Synergie von Anfang an schon gut funktionierte. Und im Moment deutet alles darauf hin, dass dieses Festival eine große Sichtbarkeit in der Stadt haben wird, und ich glaube, ich glaube, viele Besucher werden kommen, auch wenn sie die Namen oder Titel nicht kennen. Die dann einfach sagen, weißt du was, ich kenn da die drei Leute, die gehen da auch hin, lass doch mal gucken. So ein Festival ist ja auch immer in der Stadt für die Leute, die vielleicht nicht hingehen. Es ist ein Statement, das du abgibst mit so einem Festival, das auch für AfD-Wähler nicht uninteressant ist. Weil die auch sehen, dass eine Stadt sich mit so einem Festival positioniert. Das wird vom Außenminister eröffnet, der auch das Vorwort im Programm geschrieben hat, da steht eine breite Stadt- und sogar Landesgesellschaft dahinter, die so ein Festival trägt. Dazu kommt, das, was Amelie meinte: Die Aussage der Diversität und der kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst, die so ein Festival auf den Fahnen trägt, die erreicht natürlich auch Leute, die vielleicht nicht hingehen. Die denken dann trotzdem mal drüber nach, dass sie in einer Gesellschaft leben, wo ihre Haltung vielleicht nicht von allen getragen wird. Die Auseinandersetzung schafft so ein Festival dann schon
Joachim Lux Da ist gelebte Vielfalt und gelebte Offenheit…
Amelie Deuflhard … die ja auch hier in Hamburg vorkommt. Wir haben ja eine große Anzahl an Einwanderern aus allen Ländern hier in der Stadt. Es ist natürlich ein wirkliches Ziel, dass wir es schaffen, die Communities zu verbinden, dass dann, wenn wir ein Stück aus Syrien zeigen, dann auch syrische Einwanderer hier sind …
András Siebold … oder aus Nordafrika auch … wir sprechen die Leute an mit diesen Themen, das ist nicht nur ein Festival für die eben die Blazerträger.
Joachim Lux Deswegen ist es umso wichtiger, dass das Festival in die Breite geht und nicht nur für Spezialisten gemacht wird. Man hätte natürlich auch eine Kunstmesse für Spezialisten machen können, klar. Aber das war nicht der Ansatz. Wir wollten verständlich bleiben, anschlussfähig. Das schließt die Präsentation von Programmen, die herausfordern, ja nicht aus.
András Siebold Das stimmt, wobei ich da auch immer ergänzen würde: Die Sachen, die wir hier drin haben, gerade aus den Maghreb-Staaten, die zeigen auch, dass Avantgarde ein Begriff ist, der da genauso eine Rolle spielt wie hier. Wir haben ja ganz viele Sachen eingeladen, die eigentlich echt auf der Höhe der Zeit sind. Das sind Produktionen, die eben nicht dem Klischee von exotischem Theater entsprechen. Das sind alles auch Leute, die mit dem Internet zu tun haben, die genau so die globalen Sounds mitbekommen wie andere auch.
Joachim Lux Wir haben aus China mit Absicht nicht die Peking Oper eingeladen. Genau das wollten wir nicht.
hhf Zum Schluss – die Gretchenfrage, die schon bei der allerersten Pressekonferenz im Juni 2015 aufgefallen ist: Wo ist das Schauspielhaus?
Joachim Lux Das müssen sie die vom Schauspielhaus fragen. Also – die waren eingeladen, mitzumachen, haben sich aber dagegen entschieden …
hhf In dieser Pressekonferenz hieß es noch, es sei eine Kooperation geplant, jetzt im Programm sieht man nicht mal mehr das Logo?
Amelie Deuflhard Weil sie tatsächlich nicht dabei sind.
András Siebold Man kann auch sagen, wir hätten sie gerne dabei gehabt. Das ist nicht so, dass wir die Entscheidung getroffen haben. Wir haben mit denen geredet, wie mit allen anderen auch. Am Schluss war es einfach eine Entscheidung des Schauspielhauses, sich auf ihr eigenes Programm zu konzentrieren
hhf Gab es eine offizielle Begründung?
András Siebold Wir sehen die doch die ganze Zeit. Es gab weder Streit noch sonst was. Wir sind ja schon vier Köpfe in den Sitzungen, vielleicht hat sich das Schauspielhaus gesagt, komm, wir haben so viel zu tun, wir werden unser Ding da machen. Es gab keine offizielle Begründung, sondern es war eher so, dass man irgendwann gesagt hat: Ok, komm, macht ihr mal und wir konzentrieren uns auf unser Ding. Aber ohne irgendwelchen bösen Absichten oder Streit oder sonst was
hhf Es ist schon ein bisschen verwunderlich gewesen, weil das Festival seinerzeit von Frau Kisseler als ein Leuchtturmprojekt für Hamburg dargestellt wurde – was es ja auch ist – und dann hat man eines der ganz großen Häuser nicht mit im Boot?
András Siebold Auch mit der Oper haben wir am Anfang viel mehr gedacht, dass wir etwas zusammen machen. Das hatte da aber strukturelle Gründe, weil die in ihren Planungen viel weiter voraus waren. Sie haben uns jetzt noch sehr unterstützt mit Musikern, aber die hatten eben eine andere Zeitplanung, das hat dann nicht funktioniert
Joachim Lux Da war sogar mal eine ganze Produktion mit der Staatsoper geplant. Beim Schauspielhaus gibt es vermutlich eine andere Geschäftspolitik. Die kooperieren auch sonst nicht viel, sondern entwickeln ihr Profil eher aus der Abgrenzung. Aber das sind Mutmaßungen, das müssen sie tatsächlich dort erfragen.
Wir haben Karin Beier, die Intendantin des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, um eine Darlegung ihres Standpunktes zur fehlenden Beteiligung des Hauses beim Festival ›Theater der Welt‹ gebeten – hier ihre Antwort:
»So ein großes Festival hat einen großen Vorlauf: Als die Planungen für Theater der Welt begannen, hatten wir unser erstes Jahr in Hamburg gerade hinter uns. Das war bekanntlich ein katastrophal anstrengendes Jahr, da sich der Eiserne Vorhang selbstständig machte, unsere gesamte Disposition außer Kraft setzte und wir dennoch in der Hälfte der Zeit alle geplanten Premieren herausgebracht haben.
Nach diesem anstrengenden Startjahr, das einer längeren Bauphase und damit ebenfalls einem Ausnahmezustand folgte, war erst einmal eine Konsolidierung des Hauses notwendig. Deshalb habe ich in Absprache mit meinen Mitarbeitern beschlossen, alle Kräfte zu bündeln, um den normalen Spielbetrieb im Schauspielhaus voranzubringen.
Das hat sich m. E. auch ausgezahlt. Im Übrigen haben wir dem Festival bzw. der Festivalleitung im organisatorischen Sinne – also, was Spielstätten und ähnliches anbelangt – immer Kooperationsbereitschaft signalisiert.«
Das Gespräch mit dem Kuratorium fand am 4. April 2017 im Intendantenbüro des Hamburger Thalia-Theaters statt. Das Programm des Festivals »Theater der Welt« finden Sie hier, dort lassen sich auch Tickets für die einzelnen Veranstaltungen buchen.
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